Die offizielle Doktrin für familienergänzendes öffentliches Angebot

So etwa lautet die offizielle Doktrin des familienergänzenden öffentlichen Angebots für Kinder:

Tagesstätten, Freizeiteinrichtungen, kulturelle Programme uw. – das sind nicht Ersatzmassnahmen angesichts der Tatsache, dass Eltern ihre Kinder nicht rund um die Uhr betreuen, erziehen, belehren und bilden können, sondern sie stellen ein notwendiges Flechtwerk an Angeboten für das gute Aufwachsen und zur Förderung von Wissen, Können und Erfahrungen eigenen kindlichen Rechts dar.

(…) Für die Kinder ist die Tagesstätte ebenfalls ein Ort, der sehr viel mehr bietet als Aufsicht, während die Eltern etwas anderes zu tun haben. Kita ist ein Raum für

  • Sozialerfahrungen: Die Kinder brauchen ein Ort, an dem sie sich mit anderen Kindern treffen, Freundschaften aufbauen, sich streiten, gemeinsame Vorhaben aushandeln, Regeln des Zusammenlebens entdecken oder selber Regeln vereinbaren. Hier beginnt das soziale Leben von gleich zu gleich, das Menschen miteinander führen wollen.
  • Die Kindergruppen der KiTas sind auch ein Ort des Spiels, der Geschichten, des künsterlischen Ausdrucks, der 100 Sprachen der Kinder, der Phantasie, des Ulks, der lustigen Streiche, des Lachens.
  • Die Tagesstätten sind ebenfalls Ort der Lernanregungen, der Entdeckungen, des Nachforschens. Wenn man so will, ist die KiTa ein Forschungsinstitut der Kinder. Dort wird die ursprüngliche Neugier der Kinder gefördert; sie bietet viele Gelegenheiten für spontanes Lernen. Im Kindergarten beginnt das lebenslange Lernen und nicht erst in der Schule!
  • Dieser ausserschulische Bereich trägt auch zur Persönlichkeitsentwicklung bei: Kinder brauchen andere, Erwachsene und Kinder, um sich im Spiegel der anderen wahrzunehmen, also Identität zu bilden, um Zutrauen zu sich selbst zu entwickeln, also sich emotional zu entfalten, auch um zu erfahren, wie man seine Erwartungen und Interessen vertritt, in welchen Fällen man sich anpasst, wenn man sich behauptet, also um Autonomie und Gemeinschaftsfähigkeit zu verwirklichen.

Aus: Hedi Colberg-Schrader und Pamela Oberhuemer (Hrsg.) Aufwachsen von Kindern – Private und öffentliche Verantwortung. Schneider Verlag Hohengehren GmbH: Baltmannsweiler 2001. (18-19)