Augustinus und der Sex

Als Verächter der Sexualität ist Augustinus in die Geschichte eingegangen. Zu Recht?

Gewiss gibt der Kirchenvater zu, dass in der ehelichen Vereinigung von Mann und Frau zum Zweck der Kindererzeugung die Geschlechtslust in guten Gebrauch genommen wird; aber sie selbst bleibt trotzdem ein Übel (malum), zwar nicht im Sinn einer Sünde, aber doch einer Strafe für die Sünde des ersten Menschen. So ist sie nach Augustinus nicht vom Schöpfer selbst in die menschliche Natur hineingelegt worden, sondern stellt eine Verderbnis an dieser gottgeschaffenen Natur (vitium naturae), eine Krankheit (morbus concupiscentiae) dar, die nach Heilung verlangt. Agustinus scharfe Ablehnung der Geschlechtslust erklärt sich zum Teil aus seinem Kampf gegen den Pelagianismus, der die Erbsünde und damit auch deren verderblichen Einfluss auf den Geschlechtstrieb im Menschen laugnete, zum Teil aber wohl auch aus einer persönlichen Abwehrstellung gegenüber dem Geschlechtstrieb, dessen verheerendes Ungestüm er in seiner Jugend an sich selbst erlebt hatte. (Aurelius Augustinus, Schriften gegen die Pelagianer, Bd. II, Erläuterungen zu „Die Erbsünde“, 536-537)

Seine Vorstellungen sind durch seine Biografie geprägt (bei wem übrigens nicht?). Dazu gehört auch die Vorstellung über die Ehe im Paradies: Seine Vorstellungen über die Paradiesehe haben eine Entwicklung durchgemacht. Zuerst deutete er das Wort „Wachset und mehret euch“ rein geistig. Adam und Eva hätten in einer geistigen Verbindung geistige Früchte, das heisst gute Werke zum Lobe Gottes hervorbringen sollen.  Augustinus hielt auch in der Entwicklung dieser Lehre daran fest, dass es in der Ehe der ersten Menschen vor dem Sündenfall keine Geschlechtslust gegeben habe.

Vielmehr habe der geschlechtliche Verkehr damals voll und ganz dem Willen des Menschen unterstanden und die Genitalien wären nicht vom Ungestüm der Geschlechtslust, sondern vom Befehl ruhiger Liebe regiert worden. (Ebd. 538-539)

Die Ehe ist durch den Sündenfall in Mitleidenschaft gezogen. Trotzdem ist die ein Gut, ja in ihr kann auch das Übel der Lust zu einem guten Gebrauch, zur Erzeugung von Nachkommenschaft gewendet werden. Der eheliche Beischlaf ist insofern durchaus ehrbar und erlaubt.

Fazit: Tatsächlich ist Augustinus’ Vorstellung über die Sexualität m. E. enger gefasst, als Gott es vorsieht. Er hat jedoch durchaus differenziert argumentiert.