Der evangelikale Anti-Intellektualismus (3): Langzeitschäden

Guinness ortet acht Einfluss-Quellen, der – neben vielen begrüssenswerten Auswirkungen – dem Anti-Intellektualismus des (US-amerikanischen) Evangelikalismus Vorschub geleistet hat:

  1. Polarisierung: Falscher Gegensatz zwischen Kopf und Herz, also zwischen scharfem analytischem Denken und warmer Erfahrung. Lieber ein warmes Herz, dafür ein leeres Hirn.
  2. Pietismus: Konzentration auf das Innere, auf die private Errettung – mit der langfristigen Tendenz, sozial irrelevant zu sein und ein Dasein an der „Seitenlinie“ der Welt zu führen
  3. Primitivismus: Wiederherstellung der ursprünglichen Idee der „einfachen“ Ordnung der Schrift; damit einhergehend: Ungeduld mit der Komplexität der modernen Welt sowie Unverständnis für die lang andauernden Prozesse
  4. Populismus: Kommunikation auf Augenhöhe des „gemeinen Mannes“; da jeder sein eigener Interpret ist, wird Irrlehren Tür und Tor geöffnet.
  5. Pluralismus: Das Bewusstsein mit Unterschieden zu leben artete in einem Lebensstil aus, der keinen Anstoss erregen will – und damit seine eigenen Überzeugungen preisgibt. Die Betonung liegt sowieso auf Taten und Verhalten und nicht auf Worten und Glaube.
  6. Pragmatismus: Religiöse Überzeugungen haben nur bei unmittelbarer Auswirkung auf das Verhalten (Wahrheits-)Wert. Werke, Selbsthilfe, positives Denken – also der menschliche Wille – rücken in den Vordergrund.
  7. Philistinismus: Überlegenheitsdenken durch Spezial-Wissen in einem bestimmten (christlichen) Bereich
  8. Prämillenialismus: Die Überzeugung, dass das heutige Zeitalter in einer 1000-jährigen Herrschaft von Jesus auf dieser Erde mündet, bewirkte: Eine Rückzugsmentalität, die aber die Hintertür für neu einziehende Weltlichkeit weit offen liess.

Os Guinness. Fit Bodies, Fat Minds. Baker:Grand Rapids1994. (22-68)