Philosophie statt Philosophiegeschichte betreiben

Ein lesenswerter Beitrag aus der deutsch-chilenischen Wochenzeitung portraitiert den Philosophen Daniel von Wachter. Er hinterfragt das, was viele als gegeben annehmen.

«Einige wollen uns weismachen, dass alles, was geschieht, letztendlich nichts weiter als das Produkt von kausalen Vorgängen in einem riesigen Netzwerk ist», erklärt Daniel von Wachter – um dann gegen diese weit verbreitete Lehrmeinung zu kontern: «Diese Vorstellung ist allerdings unbegründet und erzeugt ein falsches Bild von Prozessen. Es gibt sehr wohl eine Willensfreiheit, Personen können durch ihr Handeln Vorgänge in Gang setzen. Die laufenden Vorgänge sind nicht so starr, dass sie das nicht zuließen. Schließlich kann ja auch eine Billardkugel durch eine andere im Lauf abgelenkt werden.»

Daniel von Wachter widerspricht damit der gängigen Vorstellung der Aufklärung, die das Universum mechanisch auffasste und daher Wunder und die christliche Lehre als Aberglaube abtat. Und er wehrt sich damit gegen den Szientismus, der dogmatischen Auffassung, dass für alle Fragen in unserer Welt ausschließlich naturwissenschaftliche Methoden zuständig seien.

Der selbständige und innovative Denker stellt – wen wundert’s – auch das deutsche Bildungssystem in Frage:

 «Meine Frau und ich waren uns schon von vornherein einig, dass wir unsere zukünftigen Kinder nicht in Deutschland erziehen wollten. Das Bildungssystem dort bietet nur wenig eigenen Entscheidungsfreiraum.»

Denn von Wachters Überzeugung von der menschlichen Willensfreiheit erstreckt sich auch auf Bildungsfragen. «In Deutschland herrscht eine sehr starke Staatsgläubigkeit vor, die den Bürgern eingepflanzt wurde. Alles ist dort sehr bürokratisch. Im Bildungswesen schreiben Ministerien strenge Lehrpläne vor. Das ist aber nicht zweckdienlich.»

Der Philosophieprofessor baut eine neue Fakultät im Fürstentum Liechtenstein auf. Er freut sich darauf, Philosophie statt Philosophiegeschichte zu betreiben.

«Nach dem Krieg wurde statt Philosophie fast nur Philosophiegeschichte betrieben. Das ändert sich langsam, auch weil viele Deutsche in Großbritannien oder den USA studieren, wo sich die scholastische – oder mittelalterliche beziehungsweise lateinische – Diskussionskultur besser erhalten hat. Wenn sie nach Deutschland zurückkommen, bringen sie einen freieren und argumentativ geschulten Geist zurück.»