Jahresrückblick: Buben in die Selbständigkeit begleiten

Seit über einem Jahr beobachte ich förderliche und hinderliche Momente, meine Buben im Weg zur Selbständigkeit anzuleiten. Im Rückblick auf diese Zeit entdeckte ich sechs Bereiche: Beteiligen, Durstrecken überstehen, erobern und ruhen lassen, Ressourcen errschliessen, gute Inhalte bereitstellen.

  1. Beteiligen
    Immer dann, wenn ich meine Jungs rechtzeitig in Vorhaben einbeziehe, sie (mit)planen lasse und ihnen in der Durchführung (Mit-)Verantwortung übegebe, erlebe ich Lernen und Fortschritte ihrerseits. Beispiele: Mein Jüngster bekam zum Geburtstag eine Jahreskarte für den Zoo. Ich liess ihn den Weg weisen und auch im Zoo die Führung übernehmen. Ich beobachtete, dass der Vierjährige dies pflichtbewusst ausführte. Die Reise in den Zoo war "seine Reise". Bei der Planung der Schulreise unterliess ich es, meine Buben miteinzubeziehen. Ich merkte rasch, dass ich in die Rolle des Darbieters und Unterhalters kam. Es stellte sich heraus, dass sie lieber eine Fahrradtour gemacht hätten. Mehrmals habe ich die Durchführung von Familienandachten schon meinem Ältesten übergeben. Er leitete sie jedes Mal souverän an.
  2. Durststrecken überstehen
    In schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass ich mit meinen Jungs mitgehe, sie aber keineswegs schiebe oder dränge. Ich neige dazu, in Notzeiten den Druck und das Tempo zu erhöhen und nach Kräften zu "schieben". Das Resultat ist für beide Seiten unbefriedigend. Mein Zweiter weinte drei Wochen vor dem Schülerkonzert; er bringe das Musikstück nicht auf die Reihe. Ich begleitete ihn zwei Wochen täglich, wenn er zwei Takte einübte, bis sie sassen. Die Aufführung war eine grosse Bestätigung für ihn. Mein Ältester möchte aufs Gymnasium. Ich arbeitete mit ihm einen Vorbereitungsplan aus. Er will dreimal pro Woche zwei Aufgaben in Mathematik lösen. Ich frage nach einer Zeit nach, wie es ihm dabei geht. Mich interessiert insbesondere die Fehleranalyse.
  3. Erobern lassen
    Jungs dürsten danach, Territorium und Gegenstände zu erobern. Deshalb überlege ich mir immer wieder, wie wir als Städter im 21. Jahrhundert solche Erfahrungen ermöglichen können. Das beginnt bei Online-Ersteigerung von Fahrrädern oder Kleidern. Es geht weiter bei der Kirschernte bei einem Bauern. Als Lohn durften sie einige Dutzend Kilogramm pflücken, welche sie in der Stadt selber verkauften. Auch bei Kleiderbörsen lassen wir sie mit eigenem Budget auf die Jagd gehen.
  4. Ruhen lassen
    Nach Anstrengungen wie Konzerten, Theatern, Arbeitseinsätzen oder einer strengen Zeit des Lernens ist es sehr wichtig, den Buben Zeit zum Ausruhen zu geben. Der Grundrhythmus ist dabei die göttlich eingerichtete Ordnung von sechs Tage Arbeit und einem Ruhetag. Wir achten darauf, den "Sabbat" einzuhalten.
  5. Ressourcen erschliessen
    Als Vater bin ich Sponsor von Ideen, um neue Ressourcen zu erschliessen. Dazu kommen mir drei Beispiele in den Sinn: Mein Sohn ging an ein tägiges Seelsorge-Seminar für Erwachsene mit. Das ist unkonventionell, doch er spricht noch heute davon. Als ein technisch begabter Verwandter bei uns auf Besuch war, erinnerte ich die Buben an ihre Fragen zur Fahrradreparatur. Er zeigte ihnen, wie er die Reparatur erledigte. Auf diese Weise können sie eigenes Knowhow aufbauen. Zum meinem Geburtstag schrieben die Buben selbständig ein Theaterstück. Sie fragten Freunde an, ob sie ihnen bei der Beschaffung einer Lichtanlage und beim Schneiden von Filmmusik helfen könnten.
  6. Gute Inhalte bereitstellen
    Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich den Buben Inhalte "vorkauen" will. Viel erfolgsversprechender ist das zeitgerechte Bereitstellen von Inhalten, die sie sich selber erschliessen. Meinem Dritten kaufe ich regelmässig einen Riemen neue Bücher. Ich leite meine Söhne an, dass sie täglich einen Abschnitt aus der Bibel selbständig lesen und sich fragen, was sie dabei über Gott und sich selbst lernen können. Ebenso bin ich auf der Suche nach guten Predigten, die ich mit ihnen zusammen anhöre.