Sommerlektüre: Über die Jugendgewalt

Kirsten Heising. Das Ende der Geduld. Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter. Herder: Freiburg, 2010. 208 Seiten. 15 Euro.

Weshalb schreibt eine vielbeschäftigte Jugendrichterin aus Berlin ein Buch über die Jugendgewalt? Heising bezeichnet sich an einer Stelle als Workaholic. Doch es ist mehr als das. Kein Dienst nach Vorschrift, keine Resignation, sondern Hinsehen und Hingehen kennzeichnete ihre Tätigkeit. Sie wollte einen Beitrag dazu leisten, dass die nächste Generation auch das erleben darf, was ihr seinerzeit geboten worden war (204). Die 2010 tot aufgefundene Jugendrichterin hat nicht nur zahlreiche Verbesserungen angeregt, sondern ein wegweisendes neues Modell erprobt und eingeführt, das insbesondere eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen staatlichen Stellen vorsah.

Der Untertitel "Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter" ist nicht in die Richtung auszulegen, dass Heising einfach nur mit Härte gegen jugendliche Straftäter vorgegangen wäre. Im Gegenteil: So bald sie Reue und die Möglichkeit für Besserung sah, kam sie nur zu gern mit Erleichterungen entgegen. Das hielt sie indes nicht davon ab, auf Missstände aufmerksam zu machen: Der deutliche Stellenabbau bei der Polizei, die Verzögerung von Verfahren, der faktische Täter- statt Opferschutz, unpassende Vollzugsmassnahmen. Geradezu unheimlich ist zudem ihre Beschreibung der arabischen Grossfamilien, die sich über Jahrzehnte in Deutschland eingenistet haben und deren Parallelwelt jeder Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit spottet.

Das Buch ist abwechslungsreich gestaltet: Zuerst werden Kategorien von Täterprofilen erstellt und ihre "Laufbahnen" beispielhaft geschildert. Besonders bei den Intensivtätern zog sich mir der Magen zusammen. Desinteresse am Opfer, mimosenhaftes Verhalten und unanständige Ansprüche liessen den Zorn hochkommen. Auffällig ist die einheitliche Vorgeschichte: Vernachlässigung und Verwahrlosung im Elternhaus, Alkohol und Arbeitslosigkeit der Eltern, Resignation und Verweigerung in der Schule.

Heising bleibt nicht bei den Geschichten stehen. Sie holt Statistiken hervor, hinterfragt sie. Sie fasst Untersuchungen zusammen. Sie beschreibt verschiedene Anti-Gewalt-Programme. Sie entwickelt Verbesserungsmassnahmen, fasst ihre Eindrücke bei Besuchen in Städten wie Oslo und Rotterdam zusammen.

Zwei Gedanken tauchten während der Lektüre immer wieder auf. Erstens fragte ich mich, welche Veränderungen eintreten würden, wenn Jugendliche nicht nur sinnvoll beschäftigt wären, sondern einen übergeordneten Lebenssinn entdecken würden. Als Christ habe ich Menschen kennengelernt, die durch ihre Umkehr zu Jesus einen radikalen Wandel erlebt haben. Das heisst nicht, dass sie nicht unter (Spät-)Folgen ihres früheren Lebensstils zu leiden hätten. Doch die neue Perspektive befreite sie von der Ich-Versessenheit und liess sie zu Helfern für andere werden. Zweitens gab es eine unmittelbare Botschaft für Erziehungsverantwortliche: Es ist wichtig, Jugendlich möglichst schnell zu stellen und sie mit den Folgen ihrer Handlungen zu konfrontieren.
Ich empfehle dieses Buch Lehrern, Eltern und Kommunalpolitikern.