Buchbesprechung: Einführung in die Philosophie von Thomas von Aquin (3)

Zum zweiten Teil des Buchskellets geht es hier.

Vorlesung 11: Was ist das höchste Gut? 

Ethik beschäftigt sich mit dem Guten, dem Richtigen und dem Sollen (ought). Heute denken wir oft an Sozialethik (wie wir mit dem anderen umgehen) oder an die individuelle Ethik (Tugenden, Charakter) – selten aber an das übergeordnete Ziel! 

Übergeordnetes Ziel ist Glück, weil a) alle Menschen es wollen, b) es als Ziel und nicht als Mittel anstreben, c) alles andere zielt darauf ab. 

Das Ende muss eines sein, weil es keinen unendlichen Regress gibt (vgl. seine Gottesbeweise): Es muss in dem Einen, Gott, begründet sein. 

Abhandlung von acht Kandidaten (in aufsteigender Ordnung): Reichtum, Ehre, Ruhm, Macht, Gesundheit, Vergnügen, Tugend, alles in der Welt. 

“It is impossible for any created good to constitute man’s happiness.  For happiness is the perfect good, which satisfies the appetite altogether; else it would not be the last end if something yet remained to be desired. Now the object of man’s will is the universal good, just as the object of the intellect is the universal true. Hence it is evident that nothing can satisfy man’s will but the universal good. This is to be found not in any creature but in God alone. Therefore God alone can satisfy the desire of man.” 

Vorlesung 12: Richtig und Falsch 

Ethik ist von Anfang bis Ende eines Sache des Verstandes. 

Eine der wichtigsten Bestandteile der rationalen Seele ist das moralische Gewissen. Dies wiederum besteht aus der unmittelbaren Kenntnis der moralischen Prinzipien (synderesis) und deren Anwendung auf Situationen (Gewissen). In gewissem Sinn kann man von drei Aspekten sprechen: Dem intuitiv-intellektuellen, dem richtend-intellektuellen und dem emotionalen. 

Weil das Gewissen jedoch nicht unfehlbar ist, nennt von Aquin die Ethik eine Wissenschaft (con-science). 

Drei moralische Determinanten: Objekt, Umstände, Ziel. Alle drei müssen in sich gut sein. Das grenzt von Gesetzlichkeit, Relativismus und Subjektivismus ab. 

Das menschliche Gewissen kann irren, ist aber trotzdem bindend. 

Entschuldigt ein irrendes Gewissen? Es hängt davon ab, ob es absichtlich ist. 

Von Aquin schreibt leidenschaftlich über die Liebe. Selbst Hass hängt von ihr ab (nie aber vice versa). Man kann nicht Ursache und Konsequenz vertauschen. 

Seine Abhandlung über Gut und Böse besteht nicht nur aus Motiven und Handlungen, sondern auch aus Tugenden (vier Kardinaltugenden). 

Vorlesung 13: Über das Gesetz 

Von Aquin reduziert Moral nicht auf ein Set von Regeln. Von den drei moralischen Determinanten fällt nur die Handlung unter das Gesetz. 

Wir leben in den ersten Generationen, in denen die Denker die Existenz eines Moralgesetzes in Abrede stellen. Damit ist die Idee eines common sense erstmals abwägig geworden. 

Die Essenz des Gesetzes: Moralisch (nicht physisch) bindende Kraft 

Materielle Ursache: Menschliches Verhalten, das geregelt wird. 

Zweck: Das Gesetz dient einem gemeinsamen Gut. 

4 Arten von Gesetzen 

Ewiges Gesetz: folgt der göttlichen Vorsehung 

Naturgesetz: definiert die Teilhabe des Geschöpfes am ewigen Gesetz 

Menschliches Gesetz: zu einer Zeit, für eine bestimmte Zeit 

Göttliches Gesetz, gegeben durch göttliche Offenbarung (nicht aber durch menschlichen Verstand) 

Die Existenz des Naturgesetzes rechtfertigt die Auflehnung gegen ungerechte menschliche Gesetze. 

Wie die Epistemologie ist auch die Ethik abhängig von der Metaphysik. 

Vorlesung 14: Von Aquin und die moderne Philosophie 

Von Aquins Lehre ist langlebig – u. a. weil er es verstand, die anderen Denker in einer Synthese zusammenzufassen. Die oftmals angewendete goldene Mitte ist kein Kompromiss, sondern eine Ausgewogenheit, die durch Einbezug der vertikalen Dimension erreicht wird. 

Kreeft nennen thomistische Phänomenologen, Personalisten und Existenzialisten als drei Vertreter einer modernen Synthese. 

  1. Die Krise der modernen Philosophie ist eine Krise des Verstandes (reason). Speziell die Frage, inwiefern der Verstand in der Lage ist Gott zu erkennen, vertiefte den Graben zwischen Rationalisten (wie z. B. Anselm) und den Anti-Rationalisten (wie Pascal oder Kierkegaard). Von Aquin verneint sowohl, dass Gottes Existenz selbstevident als auch unbeweisbar sei. Er steht damit zwischen Dogmatismus und Skeptizismus. 
  2. Ebenso ist von Aquin weder rein positiv oder rein negativ bezüglich der menschlichen Natur. Er verfügt über Potenzial zum Guten wie zum Bösen. 
  3. Von Aquin vereint auch die göttliche Souveränität mit dem Prinzip, dass Gnade die Natur vervollkommnet (grace perfects nature).   

Kreeft zählt weiter auf: 

  1. Rolle der Emotionen/Leidenschaften: Weder Emotivist noch Stoizist 
  2. Voluntarismus vs. Intellektualismus: Gegenseitige Abhängigkeit 
  3. Gott und Welt: gegen den Atheismus (nur die Welt) und den Pantheismus (nur Gott) 
  4. Transzendenz und Immanenz: Das erste ermöglicht das zweite. 
  5. Essenz und Existenz 
  6. Einheit und Vielfalt 
  7. Soziale und politische Philosophie: Weder Kollektivist noch Individualist 
  8. Weder staatlicher Konformist noch Nonkonformist 
  9. Bestätigung des Relativen und des Absoluten in der Moral