Interview: Wir kommen nicht in die Reife, weil wir völlig selbstfokussiert leben

Waldemar Justus, Ehemann, Vater, Pastor und Blogger, ist Hauptredner an der 4. Josia-Konferenz "Vereint – jetzt und für immer". Ich habe im Vorfeld der Konferenz ein Interview mit ihm geführt. Christus-zentrierte Statements und ehrliche Antworten. Erfrischend.

Du bist Hauptredner an der diesjährigen Josia-Konferenz. Über was wirst du sprechen?

Gemeinsam mit weiteren Referenten werden wir über die sogenannten „letzten Worte Jesu“ aus dem Johannes-Evangelium (Kapitel 13-17) nachdenken. In diesen fünf Kapiteln verabschiedet sich Jesus (vorläufig) von seinen Jüngern und gibt ihnen wichtige Lektionen mit auf dem Weg. Die Konferenz steht unter dem Motto „Vereint – jetzt und für immer“. Wir werden sehen, dass Jesus seinen Nachfolgern ein Erbe hinterließ, welches bis heute noch Gültigkeit und nichts an Relevanz eingebüßt hat.

Ich beschäftige mich in meinen Sessions insbesondere damit, dass unsere Vereinigung mit Jesus auf einer Willensentscheidung vonseiten unseres himmlischen Vaters beruht und die Grundlage für diese innige Herzensbeziehung die selbstlose Liebe Jesu bildet. Diese Hingabe Gottes begeistert (im wahrsten Sinne des Wortes) Gottes Kinder so sehr, dass sich das Wesen Jesu in ihren Handlungen auf atemberaubende Weise wiederspiegeln wird.

Weshalb liegt dir das Thema auf dem Herzen?

Das Thema zeigt auf, dass Jesus wirklich (!) an uns interessiert ist. Ihm ist unser Leben nicht egal. Seine Anliegen haben enormen Praxisbezug, was sich auch in den sehr konkreten Worten und Taten Jesu wiederspiegelt. Das Thema gibt die Möglichkeit mich im Licht Gottes zu prüfen und herauszufinden, wie es um mich bestellt ist.

Seit drei Jahren bist du Pastor in einer Freikirche. Was motiviert dich als junger Mann nicht Geld zu scheffeln, sondern Sonntag für Sonntag zu predigen?

Ehrlich gesagt habe ich erst nach meinem 5-jährigen Theologiestudium erfahren, was ein Pastor im Durchschnitt verdient – es hat mich einfach nicht interessiert. Es gibt nun einmal Dinge im Leben, die man mit Geld nicht kaufen kann (wie Simon der Zauberer schmerzlich feststellen musste, siehe Apostelgeschichte 8). Ich erachte es als großes Privileg meine ganze Zeit und Kraft in den Dienst Gottes und seiner Gemeinde stellen zu dürfen, wenngleich die Verantwortung sehr hoch ist. Mich motiviert schlicht und ergreifend die Tatsache, dass es auch heute noch stimmt, dass Gott den Menschen die Augen öffnet, damit sie die Wunder in seinem Wort entdecken können (Psalm 119,18). Hierfür als Werkzeug gebraucht zu werden ist mehr wert als Gold.

Was empfiehlst du angehenden Pastoren?

Ich wünsche angehenden Pastoren, dass sie unumstößlich um ihre Berufung wissen, weil „wir ein schwereres Urteil empfangen werden“ (Jakobus 3,1). Sei mutig und treu in der Verkündigung. Es gibt immer wieder Situationen, in denen es angenehmer ist den Menschen nach dem Munde zu reden. Erinnere dich daran, dass deine Gemeinde geistliche Weisung braucht. Sei gelassen. Gott ist der Herr der Zeit. Du musst nicht alles sofort wissen. Du musst nicht alles und jeden sofort verändern. Vieles braucht Zeit und vonseiten der Hirten viel Geduld (auch Jesus hat viel Geduld mit dir). Wenn du Gott für dich arbeiten lässt, wirst du sehen, dass er es ist, der wirklich die Herzen öffnet (Apostelgeschichte 16,14). Menschen würden dabei nur Schaden anrichten. Hör zu. Pastoren sind es gewohnt zu reden – viel zu reden. Es wichtig, dass du den Nöten deiner Mitmenschen mit Empathie begegnest. Nimm Korrektur an. Beim Zuhören wirst du auch Dinge hören, die dir wehtun und nicht gefallen. Prüf dich selbst, geh ins Gebet und lass den Geist Gottes deinen Charakter durchforschen. Auch Älteste leben in kontinuierlicher Heiligung. Ich habe erlebt, dass Gott sogar unberechtigte Kritik gebrauchen kann, um etwas in mir zu verändern. Es ist Gottes Gemeinde. Du bist kein König und kein Chef, sondern der erste Diener unter den Dienern. Gott ist nicht angewiesen auf dich und gebraucht dich aus Gnade.

Du bist jung Ehemann geworden. Was rätst du deinen Altersgenossen, die sich bis Mitte Dreissig und später schwer tun, verbindlich zu sein und Verantwortung für eine Familie zu übernehmen?

Das ist eine Frage, die mich tief bewegt. Ich bin oft erschüttert und auch traurig über meine Generation. Ich erlebe es an mir selbst oft genug, dass wir verlernt haben „die rechte Zeit auszukaufen“ (Epheser 5,16)! Wir kommen nicht in die Reife, weil wir völlig selbstfokussiert leben und permanent damit beschäftigt sind unsere Lebensträume zu verwirklichen und dieses Leben wie eine Traube auszuquetschen – anstatt selbstlos, leidensbereit und aufopfernd an die nächste Generation zu denken. Mein Rat? Beschäftige dich mit dem Leben Jesu und seiner uneigennützigen Lebensführung. Erinnere dich, dass Gott ein heiliger Gott ist. Heiligkeit und nicht etwa „unnütze Dinge“ (2. Thessalonicher 3,11) versprechen uns wahre Freude.

Seit kurzem bist du Vater einer Tochter geworden. Was hat dies in deiner Lebensperspektive verändert?

Alles was ich denke, sage und tue, hat Auswirkungen. Das kann einen resignieren lassen oder enorm anspornen und motivieren. Letzteres ist bei mir der Fall, weil ich erkennen kann, dass Gott mich durch meine neue Rolle als Vater reinigt, heiligt, demütigt, aber auch ehrt und wertschätzt. Das ist eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Darüber hinaus wird mir immer bewusster, wie zerbrechlich (körperlich sowie emotional) das menschliche Leben ist und wir auf Gottes Heilung von Körper, Seele und Geist angewiesen sind.

Was wünschst du für deine Tochter und ihre Generation?

Das ist für mich die schwerste Frage. Einerseits wünsche ich ihr, dass ihre Generation nicht die gleichen Probleme hat wie meine Generation (siehe oben). Andererseits muss ich gestehen, dass ich hierüber noch mehr nachdenken muss, um nicht bloß ganz viele Allgemeinplätze zu formulieren. Dieser Versuchung widerstehe ich und danke dir, Hanniel, für den Gedankenanstoß!

Dein Tipp für jemanden, der noch unentschlossen ist zur Konferenz zu fahren?

Auf der Konferenz warten auf dich richtig viele Seminare mit wirklich tollen und vielversprechenden Referenten und Themen. Ich glaube die Konferenz hat mit ihrem Thema das Potenzial in uns nachhaltig etwas zu verändern. Das ist mein Gebet.