Kolumne: Am Schluss macht doch jeder, was er will

Der Zyklus der Betroffenheit

Unstimmigkeit: „Ich will wissen, ob…“
Rückversicherung: „Sag mir bitte, ob…“
Abweichung: „Ich habe es gewusst…“
Bewertung: „Ich fühle mich verletzt…“
Reaktion: „Das muss ich mir nicht bieten lassen.“

Beobachtungen

  • Wir sind uns gewöhnt – gesellschaftlich wie auch kirchlich -, dass die eigene Betroffenheit den Kompass für die individuelle Wahrheitsfindung bildet.
  • Treffen wir auf abweichende Meinungen, so sind wir verunsichert. Das schlägt auf dem Emotionen-Radar aus. Es ertönt der innere Ruf, das innere Gleichgewicht (um nicht gar den „inneren Frieden“) möglichst schnell wieder herzustellen.
  • Wir suchen in unserer Peer (Vergleichsgruppe) nach beruhigenden Stimmen. Sie sollen uns versichern, dass mit uns alles in Ordnung ist.
  • (Auf der Gegenseite) Um keine unnötigen Konflikte zu provozieren bzw. um den anderen gefällig zu sein, stimmen wir ihnen zu.
  • Da in unserer inneren Welt widersprüchliche Stimmen zum Schweigen gebracht werden können, dies jedoch in der realen Welt nicht gleichermassen klappt, sind mit der Zeit äussere Anpassungen nötig.
  • Eine solche Anpassung kann der Wechsel von Arbeitsplatz, Wohnort, Schule und Kirchgemeinde sein. Wir meiden Freunde, Gemeindemitglieder. Einschneidender sind Trennung bzw. Scheidung in der Kernfamilie.
  • Wenn das Leben nicht mehr „aufgeht“, muss es der Therapeut richten. Das ist eine externe Instanz, der uns bezahlt die Orientierung wiedergeben soll. Manche Therapeuten stabilisieren (der gesellschaftlichen Stimme folgend) die Maxime: Das Wichtigste ist, dass du mit dir selbst in Übereinstimmung lebst.
  • Das externe Gewissen des Therapeuten ermutigt zu einschneidenden Schritten, gerade der Trennung von unliebsamen Stimmen.
  • Für nicht gewollte Nebenwirkungen gibt es ein passendes Medikament.
  • Falls der Klient (als autonomer Konsument) vom Therapeuten enttäuscht ist, wechselt er den Anbieter.

Schlussfolgerungen

  • Der „innere Frieden“ ist oft nichts anderes als ein fromm verpackter Gefühlskompass. Diesem Frieden traue ich in den wenigsten Fällen.
  • Durch diesen Prozess wird die wichtige Frage nach der dahinter liegenden Motivation verdeckt: Was treibt mich an? Darum frage ich oft zurück: Warum stellst du gerade diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt?
  • Gott schenkt uns durch die Gemeinschaft ein (oft unliebsames) Korrektiv.
  • Gottes Gebote sind normativ, jedoch in den wenigsten Fällen kasuistisch (den Einzelfall regelnd). Es braucht Weisheit in der Situation unter Berücksichtigung der Person(en). Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Gefühle der Person Norm und Weisheit übersteuern.