Kolumne: Mieten oder kaufen?

Zuerst noch die Weiterbildung, dann die Weltreise. Zusammenziehen, dann wieder auseinander. Man tobt sich bis Mitte/Ende Dreissig aus. Die „Jugend“ muss ausgekostet werden. Gemeint ist ein kindlich-unbekümmerter Zug bis zur Lebensmitte. Klar, die Hochzeit darf in diesem Lebensfilm nicht fehlen. Das Ja-Sagen in geplant-romantischer Umgebung, die Hochzeit in Weiss, mit ausgewählter Gästeliste und chilligem Kleiderkodex. Dann nochmals reisen, endlich ein, zwei Kinder. Man wohnt in einer 4,5-Zimmer-Wohnung, urban, mit hellen, Licht durchfluteten Räumen, Tiefgarage. Die Naherholung und die Vergnügungsangebote der Stadt in nächster Nähe. Schliesslich merkt man, dass das Häuschen auf dem Land noch etwas geeigneter wäre. Eine „Viereinhalber“ für drei oder gar vier Personen? Viel zu klein. Man hat’s nicht für möglich gehalten und doch gefunden und zieht in den Neubau am Dorfrand. Das Zweitauto wird angeschafft.

Mieten oder kaufen? Wie oft ich diese existenzielle Frage (verzeiht mir meine Ironie) als Mittvierziger jetzt schon gehört habe! Nicht dass ich etwas gegen Wohneigentum gehabt hätte. Im Gegenteil: Dies gehört wohl zu den wichtigen Investitionsentscheiden und will gut bedacht sein. Eigentlich jedes Mal rechnen mir die Bald-Eigenheim-Besitzer vor, wie viel günstiger sie dies kommen würde. Das ist die rationale Rechtfertigung einer längst getroffenen Lebensstil-Entscheidung. Ich habe bis heute wenige clevere Rechner angetroffen. Die allermeisten investierten nicht nur für unzählige „Zusätze“ wie Garten, Schwimmbad, Möbel oder neue Küche. Nicht nur schafften sie sich den Zweitwagen an. Sie versanken bildlich gesehen in der Versenkung. Absorbiert mit sich selbst. Finanziell und zeitlich übers Limit gefordert. Fleissige Treter im Rad der eigenen „Anspruchstretmühle“.

Was mich daran ärgert, ist nicht die Entscheidung für das Eigenheim. Es ist die forcierte Anbetung der eigenen Bedürfnisse. Der Komfort des Augenblicks steht selbstverständlich im Mittelpunkt, so dass alles andere darunter zu ersticken droht. Stets geht es um Konsumentscheidungen, die das gute Gefühl für die nächste Zeit sichern sollen. Symptomatisch: Kaum ist ein Entscheid vorbei, wird der nächste geplant. Haus, Urlaub, Ausbau des Hauses, Weiterbildung, Scheidung, zweite Jugend, Wiederheirat oder Frühpensionierung.

Viel wichtiger als die Frage „mieten oder kaufen“ ist doch diese: Wer will ich mit 70, 80 Jahren sein? Auf was möchte ich zurückblicken? Urlaube verblassen, Häuser auch, Weiterbildungen sowieso. Mit 80 redet kaum mehr jemand über die Beförderung. Erst recht nicht mehr auf der neuen Erde. Weshalb „stopfen“ wir alles ins Hier und Jetzt? By the way: Die glücklichsten und weisesten Menschen, die ich kenne, steckten ihre Energie in ganz andere Dinge. Sie haben einen harten Alltag. Nicht dass sie nicht gerne reisen würden. Oder dass ihnen ein intensives Hobby fehlte. Im Gegenteil. Doch sie verfolgen eine Langzeit-Strategie. Sie lassen sich nicht vom nächsten Wunsch von Augenblick zu Augenblick treiben. Sie sind unerhört grosszügig.

Kein Wunder, dass der regelmässige Besuch einer Kirchgemeinde mehr schlecht als recht in diesen Lebensstil passt. Temporäre Interessensgemeinschaften eher denn tragende Freundschaften. In diesem Konsum-Korsett ist kein Lebensstil der täglichen Abhängigkeit von Gott möglich. Das Interesse anderen das Evangelium weiterzugeben (als Resultat davon, selber vom Evangelium erhalten und verändert zu werden) verblasst. Geistliche Übungen? Es folgt nur noch ein müdes Lächeln. Ein Kongress hier und da, eine Lobpreis-CD und eine Yoga-Woche genügen.

Deine optimalen Ostern schon geplant? Vielleicht setzt du dich in dieser Osterzeit hin und liest die Passionsgeschichte. Sie füllt bis zu einem Drittel jedes Evangeliums. Wir sehen dort einen Menschen, der sich selbst entäusserte, die Gestalt eines Sklaven annahm und offenen Auges in den schrecklichsten Tod nach Art der Römer ging. Um der vor Ihm liegenden Freude willen. Weil er eine riesige Schar von Menschen vom Tod ins Leben führen wollte.