Ohne das unsichtbare Reich bricht auch das sichtbare auseinander

Wenn also die Gläubigen das sterbliche Leben erwägen, dann soll dies ihr Blickpunkt sein: Sobald sie erkennen, dass es ein einziges Elend ist, sollen sie sich mit desto grösserer Freude und Bereitschaft ganz dem Trachten nach jenem kommenden ewigen Leben widmen. Kommt es einmal zu diesem Vergleich, dann kann man das irdische Leben nicht nur getrost auf sich beruhen lassen, sondern soll ees, gemessen an dem zukünfitgen, sogar verachten und verschmähen. Denn wenn der Himmel unsere Heimat ist, was ist dann die Erde anders als ein Exil? Wenn das Auswandern aus dieser Welt der Eingang ins Leben ist, was ist die Welt dann anders als ein Grab? (Johannes Calvin, Institutio, III,9,4)

Christian Link sieht in dieser Blickrichtung “den dominanten Pol der calvinistischen Ethik”. Sie ist Optik für Calvins aktive Weltgestaltung.

Ohne den Himmel bietet uns die Erde keine Heimat; ohne das unsichtbare Reich bricht auch das sichtbare auseinander.

Christian Link. Erwählung und Prädestination. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2009. (264)

Calvins Sozialethik: Den Glauben ins Leben gezogen

Christian Link, Professor für Systematische Theologie in Bern und Bochum, schreibt über die Sozialethik Calvins:

Was Calvin in seiner Sozialethik tatsächlich gewollt und in Bewegung gebracht hat, erschliesst sich am besten aus seinen grossen sozialkritischen Reihenpredigten zum 5. Buch Mose. Hier wird das Leitwort der Humanität zum Schlüssel, im Gespräch mit den Weisungen des Deuteronomiums die brennenden Fragen der Zeit aktiv anzugehen, etwa das Flüchtlingselend der Epoche, das die Bevölkerung Genfs in wenigen Jahrzehnten um das Doppelte hat wachsen lassen, den Ausbau von Waisenhäusern und Spitälern oder die durch eine verrohende Kriegführung angerichteten gravierenden Flurschäden. Sein besonderes Augenmerk gilt der Kluft zwischen Armen und Reichen. Dass Eigentum verpflichtet, dass Gott nicht willkürlich Güter in die Hand der Reichen legt, sondern ‘zu der Bedingung, dass sie Gelegenheit und Möglichkeit bekommen, ihre bedürftigen Nächsten zu unterstützen’, wird nicht als Akt der Barmherzigkeit, sondern geradezu als einklagbares Recht geltend gemacht. Wie wenig Calvin dieses umstrittene Feld als Privatsache behandelt, es vielmehr in die öffentliche Diskussion hineingezogen hat, belegen die Auseinandersetzungen um Zins und Wucher. Menschlichkeit, damals wie heute gerade auf diesem Gebiet gefordert, lebt aus der Quelle der Solidarität, der Fähigkeit, sich in die materielle Not des anderen (zumal in der eigenen Stadt) hineinzuversetzen. Wer über die Not des Bedürftigen hinwegsieht und ihm in Handel und Gewerbe das menschliche Recht angesessener Bedingungen … veweigert, ‘führt Krieg gegen Gott’. In diesen Predigten verbindet Calvin auf eine derart konsequente wie theologisch durchreflektierte Weise Lehraussagen und Handlungsanweisungen, dass Glaube und Lebensvollzug keine Augenblick auseinanderfallen.

 Christian Link. Prädestination und Erwählung. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2009. (23)

Erfolgreiche Menschen hören nicht auf zu fragen

Jeden Samstagmittag summt mein Handy, und ich erhalte den wöchentlichen Tipp von Gary North. Diesen hier finde ich bedenkenswert. North meint, dass hartnäckiges Fragen – auch über das erste Nein hinaus – zu (wirtschaftlich) erfolgreichen Menschen dazu gehört. Allerdings muss zuerst der Fokus klar sein!

The people I know who have been successful economically have had this habit. They have made it routine. They ask for more.
They keep asking. They act as though they deserve more. So, they get more. They keep asking even though they get “no” for an answer.
Most people do not have the stomach for this. “No” means no. They go on to something else. Not the successful person.

He says to apply this in the equivalent of mass mailings. If you get “no” from one person, and it’s really “no,” go on to another person. He used a dating service this way. He went through the list until he got to “yes.” Then he asked her to marry him. He got “yes” again.

The successful person keeps asking. He makes a pest of himself. It does not bother him. He has a routine to follow: ask until
you get “yes.” This means you should focus on what you really want. Then  pursue “yes.”

Verzweifelte Single-Frauen

Kevin DeYoung stellt (hier) fest, dass er in seinem Dienst auf viele heiratswillige Frauen trifft, die verzweifelt nach einem Mann Ausschau halten.

I have met scores of godly young women nearby and far away who wonder “Where have all the marriageable men gone?” More and more commentators–Christian or otherwise–are noticing a trend in young men; namely, that they don’t seem to be growing up. Recently, William Bennett’s CNN article “Why Men Are in Trouble” has garnered widespread attention. The point of the post is summarized in the final line: “It’s time for men to man up.” Sounds almost biblical (1 Corinthians 16:13).

Das Bild, das viele (christliche) Männer abgeben, ist nicht eben das beste:

There’s a difference between a down-on-his-luck fella charging hard to make something out of himself and a guy who seems content to watch movies, make enough to eat frozen pizzas in a one room apartment, play Madden, watch football 12 hours on Saturday, show up at church for an hour on Sunday and then go home to watch more football.

Sind denn diese Ansprüche überzogen?

They just want a guy with some substance. A guy with plans. A guy with some intellectual depth. A guy who can winsomely take initiative and lead a conversation. A guy with consistency. A guy who no longer works at his play and plays with his faith. A guy with a little desire to succeed in life. A guy they can imagine providing for a family, praying with the kids at bedtime, mowing the lawn on Saturday, and being eager to take everyone to church on Sunday. Where are the dudes that will grow into men?

Was in der Kirche Singles nicht ständig um die Ohren gehauen werden sollte, fasst im nächsten Beitrag eine Kommentatorin auf Kevins Blog feinfühlig zusammen:

  • “I keep praying for someone to come along for you.”
  • “I don’t know why no young man hasn’t scooped you up and carried you off yet.”
  • “You should move somewhere where there are more young men, or maybe go to a church with more single people.”
  • “Have you ever thought about online dating?”
  • “Don’t you want to get married and have children?”

Zu was ist der Wille des nicht erlösten Menschen fähig?

Der Vorwurf des Gegners Julian an Augustinus lautete (Aurelius Augustinus, Gegen zwei pelagianische Briefe, II,4 – IV,8):

Durch die Sünde des ersten Menschen, d. h. Adams, ging die freie Entscheidungskraft verloren und niemand hat jetzt noch die Macht, gut zu leben, sondern alle werden zur Sünde genötigt unter dem Zwang ihres Fleisches.

Augustinus antwortete darauf wie folgt:

Freilich ging die Freiheit durch die Sünde verloren, aber jene, die im Paradiese herrschte, die Freiheit, die volle Gerechtigkeit zu haben samt der Unsterblichkeit. Deshalb braucht die menschliche Natur die göttliche Gnade nach dem Worte des Herrn: ‚Wenn der Sohn euch frei macht, seid ihr wirklich frei’ (Jo 8,36), ja frei zu einem guten und gerechten Leben; denn die freie Entscheidungskraft ging im Sünder nicht so sehr verloren, dass durch sie die Menschen nicht sündigten, hauptsächlich alle, die mit Lust und Liebe zur Sünde sündigen und denen gut erscheint, was ihnen Spass macht.

Er streicht hervor, dass die Entscheidungskraft nur zum Bösen gebraucht werden kann:

‚Lasst euch in keiner Weise von den Widersachern einschüchtern! Das ist für sie ein Zeichen des Verderbens und eures Heils. Und dies von Gott, denn euch wurde es geschenkt für Christus, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden’ (Phi 1,28f). Er sagt also, beides wurde geschenkt. Ebenso sagt er: ‚Friede sei den Brüdern und Liebe samt Glauben von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus’ (Eph 6,23). Lesen mögen sie auch das Wort des Herrn selbst: ‚Niemand kann zu mir kommen, wenn ihn der Vater, der mich gesandt hat, nicht zieht’ (Jo 6,44). … Zu Christus wird nämlich gezogen, dem es gegeben wird, an Christus zu glauben. Gegeben wird also denen die Macht, Kinder Gottes zu werden, die an ihn glauben (vgl. Jo 1,12), wenn eben dies zugegeben wird, kann sie nicht aus der freien Entscheidungskraft kommen. Denn diese Entscheidungskraft wird nicht frei zum Guten sein, wenn sie der Erlöser nicht befreit hat. Dagegen benützt der Mensch die freie Entscheidungskraft zum Bösen; denn die Freude an der Bosheit hat ihm ein verborgener und unverkennbarer Betrüger eingesät oder er sich selbst eingeredet.

Augustinus’ Fazit:

Einen gerechten Willen kann also nur haben, wer ohne vorausgegangene Verdienste die wahre, d. h die von oben frei gegebene Gnade empfangen hat.

Dieser Standpunkt wirft meines Erachtens zwei Anschlussfragen auf:

  • Hebt das Wirken der Gnade dann nicht die Freiheit auf?
  • Und: Nicht erlöste Menschen wirken nur Böses?

Ich verweise auf das Westminster Bekenntnis von 1647, Artikel 9.3. Dort wird präszisiert:

Der Mensch hat durch seinen Fall in den Stand der Sünde alle Fähigkeit des Willens zu irgend etwas geistlich Gutem, das mit dem Heil zusammenhängt, völlig verloren, so daß er als natürlicher Mensch, weil er von diesem Guten ganz und gar abgewandt und in Sünden tot ist, nicht in der Lage ist, sich durch seine eigene Kraft zu bekehren oder sich darauf vorzubereiten.

Ressourcen im Stress

Die Suva beitet als selbständiges Unternehmen des öffentlichen Rechts Lösungen für den obligatorischen Unfallversicherungsschutz an. Sie hat ein gutes 30-Minuten-Arbeitsheft zu “Stress” herausgegeben.

  1. Handlungsspielraum: Je umfassender ich eine Arbeit selber planen, einteilen, ausführen und kontrollieren kann, desto weniger gerate ich normalerweise in Stress.
  2. Zusammenarbeit, sozialer Rückhalt:  Je besser ich mich auf meine Kolleginnen und Kollegen, Freunde und Freundinnen verlassen kann, je mehr wir uns gegenseitig helfen, um so weniger gerate ich in Stress. Wenn ich ohne weiteres über Schwierigkeiten reden kann, ohne das Gesicht zu verlieren oder ausgelacht zu werden, kann ich die Probleme daheim und am Arbeitsplatz auch besser lösen.
  3. Information und Mitsprache: Je besser ich über das Wie und Warum einer Arbeit oder eines Konfliktes informiert bin und je mehr meine Erfahrungen und Vorschläge schon bei der Planung der Arbeit berücksichtigt werden, desto geringer ist die Stressgefahr.
  4. Körperliche und geistige Fitness: Wenn ich mich wohl fühle, gesund ernähre, für körperliche Bewegung sorge und mich genügend ausruhe, kann ich auch in hektischen Situationen eher kühlen Kopf bewahren.
  5. Organisation, Planung, sinnvolle Arbeit: Je besser ich einen Auftrag kläre, die Arbeit plane, die Werkzeuge griffbereit halte, Raum für Unvorhergesehenes einkalkuliere und überlege, was alles nicht klappen könnte, umso weniger kann ich in Stress geraten. Je mehr Sinn und konkrete Ziele ich in meiner Arbeit erkennen kann, desto besser kann ich auch mit schwierigen Situationen umgehen.

Christ und Kultur – 5 Verzerrungen

Ergänzend zum letzten Post:

  1. Ich sehe sehr wohl Möglichkeiten als Christ – durch Gottes Hilfe – in die Kultur hineinzuwirken. Thomas K. Johnson beschreibt dies in seinem Aufsatz “Christus und die Kultur” .
  2. Ebenso sehe ich aber verschiedene Verzerrungen im Spannungsfeld zwischen Natur und Gnade – hier eine Darstellung: 5 Verzerrungen. Das “Transformatorische Christentum” ordne ich unter c) ein.

Transformieren die Christen die Gesellschaft?

Danke, Ron, du sprichst mir aus dem Herzen:

Ich habe in den vergangenen 20 Jahren etliche Christen, Familien und Gemeinden »von Innen« kennenlernen dürfen (mich selbst eingeschlossen). Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob wir der Welt viel schenken können. Vor den Evangelikalen braucht man keine Angst haben, zuviel erwarten sollte die Welt von ihnen aber auch nicht. Kurz: Mir ist inzwischen das Christuszeugnis wichtiger geworden. Das, was wir der Welt zu geben haben, bleibt – sagen wir – übersichtlich. Deshalb sollten Christen der Welt nicht zu viel versprechen, sondern Zeugnis ablegen von einem andern: »Denn nicht uns selbst verkündigen wir, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns selbst aber als eure Knechte, um Jesu willen« (2Kor 4,5).