Eine Bewegung im schiefen Licht

Trueman schreibt über die Puritaner:

The Puritans of seventeenth-centuryEnglandultimately lost the great battles of their day – politically to a Restoration government set on revenge for past wrongs, educationally to an establishment which excluded them and their ecclesiastical descendants from university education, and intellectually to an Enlightment whose self-conscious iconoclasm called into question the theological premises, philosophical assumptions, moral absolutes, and cultural presuppositions of their work.

They thus suffered the fate of all those who lose: as they did not control the writing of history, so they were either written out of that history or demonized by that history, dismissed variously as fundamentalists, pietists obscurantists, and moralizing kill-joys of no intellectual merit whasoever…

Carl R. Trueman, John Owen – Reformed Catholic, Renaissance Man, Ashgate: Hamphire/Burlington 2007. (32)

Ähnlich wie bei Calvin hat die Geschichtsschreibung über Jahrhunderte ein verzerrtes Bild dieser einzigartigen Bewegung vermittelt. Eine Auseinandersetzung mit den Puritanern lohnt sich auf jeden Fall!

Hilfe, Administration!

Someone once wrote that „nothing so focuses a man’s mind as the thought that he is to be executed tomorrow;“ much the same can be said about the confirmed academic who is faced with a move into administration.

Carl R. Trueman, John Owen – Reformed Catholic, Renaissance Man, Ashgate: Hamphire/Burlington 2007. (Preface)

Im Widerstand

Bonhoeffer schreibt zu Weihnachten 1942, um sich und den Seinen im aufgezwungenen Widerstand gewisser zu machen:

Wir haben in diesen Jahren viel Tapferkeit und Aufopferung, aber fast nirgends Civilcourage gefunden, auch bei uns selbst nicht. Es wäre eine zu naive Psychologie diesen Mangel einfach auf persönliche Feigheit zurückzuführen. Die Hintergründe sind ganz andere. Wir Deutschen haben in einer langen Geschichte die Notwendigkeit und die Kraft des Gehorsams lernen müssen. In der Unterordnung aller persönlichen Wünsche und Gedanken unter den uns gewordenen Auftrag sahen wir Sinn und Grösse unseres Lebens. Unsere Blicke waren nach oben gerichtet … im freien Vertrauen, das im Auftrag einen Beruf und im Beruf eine Berufung sah … Wer wollte dem Deutschen bestreiten, dass er im Gehorsam, im Auftrag, im Beruf immer wieder das Äusserste an Tapferkeit und Lebenseinsatz vollbracht hat? Seine Freiheit aber wahrte der Deutsche darin…, dass er sich vom Eigenwillen zu befreien suchte im Dienst am Ganzen. Beruf und Freiheit galten ihm als zwei Seiten derselben Sache. Aber … er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Bereitschaft zum Lebenseinsatz für den Auftrag missbraucht werden könnte zum Bösen … Es musste sich herausstellen, dass eine entscheidende Grunderkenntnis dem Deutschen noch fehlte: die von der Notwendigkeit der freien, verantwortlichen Tat auch gegen Beruf und Auftrag. An ihre Stelle trat einerseits verantwortungslose Skrupellosigkeit, andererseits selbstquälerische Skrupelhaftigkeit, die nie zur Tat führte. Civilcourage aber kann nur aus der freien Verantwortlichkeit des freien Mannes erwachsen. Die Deutschen fangen erst heute an zu entdecken, was freie Verantwortung heisst. Sie beruht auf einem Gott, der das freie Glaubenswagnis verantwortlicher Tat fordert und der dem, der darüber zum Sünder wird, Vergebung und Trost zuspricht.

Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, 14-15; zitiert bei Eberhard Bethge (Hg.). Dietrich Bonhoeffer – Widerstand in preussischer Tradition? Kohlhammer: Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1983. 106-107.

Ihr lasst euch gerne ausnutzen!

Im zweiten Brief an die Korinther, den ich zur Zeit studiere, wendet Paulus eine erstaunliche Rhetorik an. Er übertreibt absichtlich und äussert närrische Worte. Damit will er die Korinther auf innere Widersprüche aufmerksam machen.

Niemand soll mich für einen Narren halten. Wenn ihr es aber doch tut, nun, dann müsst ihr auch hinnehmen, dass ich mich wie ein Narr aufführe und ein wenig Eigenlob betreibe, wie ihr das ja auch von anderen gewohnt seid.

Was ich im Folgenden sage, entspricht also nicht der Art des Herrn, nein, ich rede wie einer, der keinen Verstand hat. Aber das gehört nun einmal zu diesem Unterfangen, mich selbst zu rühmen.

Da so viele sich mit ihren Vorzügen und Leistungen rühmen, will auch ich jetzt in ´diese Art von` Rühmen einstimmen.

Ihr lasst euch ja den Unverstand der Narren gern gefallen, so verständig, wie ihr seid! Und nicht nur das: Ihr lasst es euch gefallen, wenn man euch wie Sklaven behandelt, wenn man euch ausbeutet, wenn man ´euch Fallen stellt und` euch einfängt, wenn man sich euch gegenüber arrogant verhält, ja sogar, wenn man euch ins Gesicht schlägt. (2. Korinther 11,16-20)

Die Korinther verachteten auf der einen Seite Paulus und dessen Auftritt, liessen sich aber gleichzeitig von anderen an der Nase herumführen. Weil es ums Wichtigste – das Evangelium – geht, versucht Paulus auf jede nur erdenkliche Art Zugang zur Gemeinde zu bekommen.

Therapie-Hype im Kindergarten

Die Ursachen sind bekannt: Mehrfachbelastungen durch den Familienhintergrund. Die Lösung: Früherkennung und Therapie schon im Kindergartenalter.

Lilo Laetzsch, Präsidentin des Zürcher Lehrerverbandes, sagt gegenüber der Zeitung: «Schätzungsweise 30 Prozent aller Kinder im Kindergarten werden abgeklärt.» Manche Kinder würden in der Folge eine Stunde lang therapiert, andere bis zu einem Jahr. «Wir gehen sehr verantwortungsbewusst mit Abklärungen um», sagt Laetzsch. Aber sie ist sich auch bewusst: «Angebot schafft Nachfrage.»

Papablog (116): Leere Worte

Worte zum Verdauen an Väter: Wie bekommen meine Worte Gewicht? Es scheint mir, als habe ich in den letzten Wochen zu viel Worte verloren – u. a. mit leeren Drohungen.

1.    Don’t waste words. Don’t add a lot of apologies or unnecessary detail that make you look timid.

2.    Don’t threaten.

3.    Be clear about expectations. When you tell someone, especially a child, how to behave or what to do, make sure you both are very clear about what you expect.

4.    Be clear about consequences, particularly if your expectations involve an area with which that child has struggled in the past.

5.     Take clear, decisive action. . . .Say what you mean and back up your words with action. It’s a testimony to your integrity and an example your children will carry with them throughout their lives.

Vier dicke Bücher zur Hochzeit – eine Rezension

Gelesen habe ich sie (noch) nicht – dafür stehen noch viele andere dicke Bücher in meinem Regal, die studiert werden wollen. Doch ich habe schon verschiedentlich Gutes über sie gehört: Die vierbändige “Post-Reformation Dogmatics” von Richard A. Muller. Er behandelt eingehend die Zeit nach der Reformation, die unter dem Fachbegriff “Orthodoxie” in die Geschichte eingegangen ist. Ein Doktorand, der über die Puritaner forscht, schwärmt in den höchsten Tönen. Witzigerweise hat er die “Schunken” als Hochzeitsgeschenk bekommen:

Everyone knows that a wedding shower is for the bride. But occasionally, the groom is remembered with a salutary gift. Some men get power tools, others get electronic gadgets. I got books. But not just any books. These were four hefty tomes. When I opened to the inside cover of the first volume I found inscribed these amusing words: “A little light reading on the occasion of your wedding!”

Wer den Kauf wagen will, der sehe sich hier um. 2176 Seiten – wer wie ich bei anspruchsvollen englischen Texten ca. 12 Seite pro Stunde bewältigt, der benötigt rund 180 Stunden. Das entspricht einem Monat Arbeitszeit. Wer täglich eine Stunde lesen würde, hätte es in einem halben Jahr durch, bei 30 Minuten wäre es ein Jahr.

Calvin über die Ursünde

Calvin gibt zu bedenken, dass über die erbliche Verderbnis, Ursünde genannt, seit je ein gewaltiger Streit geherrscht habe, denn

dem gemeinen Menschenverstand ist nichts so befremdlich, als dass wegen der Schuld eines Menschen alle schuldig sein sollten und so also die Sünde allgemein werde. (Institutio, II,1,5)

Eine Frage ist zunächst: Weshalb hat Gott überhaupt das Verbot ausgesprochen, nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen?

Das Verbot, von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu nehmen, war ja eine Prüfung im Gehorsam: Adam sollte durch seine Folgsamkeit beweisen, dass er gern Gottes Befehl sich unterwarf! (II,1,4)

Mit der schnöden Verachtung von Gottes Freigebigkeit und der Anmassung, sich über sein Gebot hinwegzusetzen, ist das Geschlecht Adams ins Elend gestürzt worden. Es ist ausser Zweifel,

dass die Kreatur einen Teil der Strafe trägt, die der Mensch sich zugezogen hat, zu dessen Nutzen sie erschaffen war. So ist also nach allen Seiten, droben und hienieden, aus Adams Schuld der Fluch entsprungen, der auf allen Gebieten der Welt ruht – und deshalb ist es durchaus nicht widersinnig, dass er auch auf seine gesamte Nachkommenschaft übergegangen ist. Nachdem also einmal das himmlische Bild in ihm zerstört war, ist er nicht allein für seine Person damit gestraft worden, dass nun an die Stelle der Weisheit, Kraft, Heiligkeit, Wahrheit und Gerechtigkeit, die ihn einst geziert hatten, die übelsten Verderbnisse traten: Blindheit, Kraftlosigkeit, Unreinheit, Eitelkeit, Ungerechtigkeit, — sondern in eben dieses Elend hat er auch seine Nachkommenschaft verwickelt und hineingestoßen. (II,1,5)

Die Ursprungssünde hat also die ganze Nachkommenschaft Adams und auch die ganze Schöpfung betroffen. Die Frage ist nun: Wie denn?

Wir hören, dass die Unreinigkeit der Voreltern derart auf die Nachfahren übergeht, dass alle ohne jede Ausnahme vom Ursprung her befleckt sind. (II,1,6)

Römer 5,12ff macht deutlich: Gerechtigkeit und Leben sind „in Adam verloren, um in Christus wiedergewonnen zu werden.“ (ebd.) Adams Stellung war nicht nur die des ersten seines Geschlechts, sondern mit einer Wurzel vergleichbar.  „Adam ist nicht nur Ahnherr der menschlichen Natur, sondern er ist sozusagen ihre Wurzel, und deshalb ist durch seine Verderbnis billigerweise das ganze Menschengeschlecht zerrüttet worden.“ (ebd.) Adams Nachkommenschaft ist angesteckt mit der Verderbnis. Wie Augustin zitiert er Paulus im Epheserbrief:

Auch könnte Paulus nicht sagen, alle Menschen seien von Natur Kinder des Zorns (Eph. 2,3), wenn sie nicht von Mutterleibe an unter dem Fluche stünden. (II,1,6)

So sieht Calvin nichts Widersinniges darin, dass

auch die Natur nackt und arm dasteht, und dass dadurch, dass er von der Sünde befleckt wurde, die Ansteckung auch in die Natur eingedrungen ist! So sind aus der faulen Wurzel faule Äste emporgeschossen, und die haben wiederum ihre Fäulnis den anderen Sprösslingen mitgeteilt, die aus ihnen hervorgingen! (II,1,7)

Durch Adam repräsentiert, verlor Adam für sein Geschlecht die Gaben, die ihm von Gott zuteil geworden waren. Darum ist die Ansteckung nicht etwa im Grundwesen der Natur zu suchen. Adam hat uns „in seine Schuld verwickelt“ (II,1,8). Alle haben gesündigt (Röm 5,12). Die Verderbnis entstammt nicht unserer Natur, sondern ist eine „von aussen hinzukommende Eigenschaft“ (II,1,11).

Calvin braucht neben dem Baum noch zwei weitere Metaphern: Die Verderbnis der menschlichen Natur gleicht einem Schmelzofen, „der einmal angekündet ist, nun Flammen und Funken von sich gibt, oder eine Quelle das Wasser ohne Aufhören aus sich hervorsprudelt“ (II,1,8).

Fazit: „Der ganze Mensch ist von Kopf bis zu Fuß wie von einer Sintflut derart über und über (mit Sünde) bedeckt, daß kein Teil unberührt ist, und deshalb wird alles, was von ihm kommt, als Sünde gerechnet, wie denn auch Paulus sagt, alle Sinne des Fleisches und all sein Denken seien Feindschaft wider Gott (Röm. 8,7) und deshalb der Tod!“ (II,1,9)

Papablog (120): Hoch den Berg.

Es gibt Tage mit speziell intensiver Reibung. Diese zeigt sich zur Zeit darin, dass sich mein Nachwuchs als Gruppe geschlossen verbündet – gegen mich. Meist gibt es einen Drahtzieher, der die anderen motiviert. Ich ringe mich durch, den Konflikt anzugehen. Ich nehme die vier mit nach draussen und gehe den Hausberg hoch. Zuerst stänkernd, wenn nicht gar rebellierend gehen sie mit. Neben dem Wagen, den ich vor mir den Berg hochschiebe, ertrage ich den Widerstand der Jungs. Mit der Zeit beginnen sie die Abkürzungen hoch zu kraxeln. Mein Zweiter kehrt sich um und meint mit schelmischem Blick: „Du wirst müde, wir nicht.“ (Wenn ich mich jetzt nicht durchsetze, wie werden sie in 10 Jahren mit mir umgehen?)

Papablog (119): Wo sind denn die Kinder?

Ich besuche am Wochenende mit Sohnemann Nummer drei und vier ein Gemeinschaftszentrum der Stadt Zürich. Das milde Wetter hat viele Familien ins Freie gelockt. Da spazieren die hippen Kleinfamilien mit ihren Kleinen durch den Park, füttern die Ziegen, beobachten die Esel und tummeln sich auf dem Spielplatz. Die Ältesten drei, vier Jahre alt. Ich habe mich schon oft gefragt: Wo sind die älteren Kinder? Zürichs Strassen treffe ich oft leer gefegt an, sei es unter der Woche und am Wochenende. Ich vermute sie hinter dem PC oder Fernseher oder bei Kollegen hängend. Unter der Woche sind sie in Schule und Krippe versorgt, am Abend in Freizeitbeschäftigungen.