Papablog (114): Käpten Snieders

Ich lese den Kindern ein neues Buch vor. Mein Ältester hörte ab der ersten Seite voll konzentriert mit und bekommt ganz rote Ohren. Eigentlich ist es ein Lehrbuch für angehende Lehrkräfte. In einem kleinen Dorf in Norddeutschland fällt der Lehrer wegen einer Grippe aus. Der Bürgermeister überredet den pensionierten Kapitän, den Unterricht zu übernehmen. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, mischt er den Unterricht neu auf. Er bringt eine Ordnung in die Klasse, indem er sie analog einer Schiffsmannschaft organisiert. Die Dohle sitzt auf seiner Schulter. Und er arbeitet nach einem einfachen Prinzip: Ordnung erstellen, erzählen und aufschreiben lassen.

Vor einer guten Stunde hatten sie noch dagesessen und hilflos auf die leeren Seiten gestarrt, und nicht mal der Anfang war ihnen eingefallen! Und jetzt dieser Schwung, dieser nicht zu bremsende Gedankenreichtum. Was war denn in der Zwischenzeit anders geworden? Es waren doch noch dieselben Kinder, oder? Ja und nein!
Sie waren insofern noch dieselben, als sie weder ihre Nasen noch ihre Ohren oder Gliedmassen ausgetauscht hatten, aber innerlich waren sie anders geworden. Sie hatten dem besten Geschichtenerzähler der ganzen Wesermarsch zugehört, und das hatte sie verändert. Ihre Vorstellungskraft war gefüttert worden mit einer Kost, die ihnen der etwas trockene Herr Heinecke (der Lehrer) nicht hatte vorsetzen können.
Käpten Snieders, der von seinem grossen Erzähltalent nichts wusste, glaubte, die Kinder hätten das Aufsatzschreiben bei seinem Vorgänger gelernt, und wunderte sich überhaupt nicht über die wie rasend schreibenden Kinder. Er staunte nur über ihre Geschicklichkeit in der Handhabung des Federhalters.
Rudi Turka, der einzige Junge der ersten Klasse, malte währenddessen ein so grässliches Seeungeheuer auf seinen Zeichenbogen, dass Hinnerk Beiderbeck, sein Nachbar, nicht hinzuschauen wagte. Kurz vor zwölf Uhr mittags gaben die ersten ihre Aufsätze ab, glücklich und erschöpft. Käpten Snieders erlaubte ihnen, nach Hause zu gehen, nachdem er ihnen aufgegeben hatte, als Hausarbeit allen Leuten, die sie kannten, die Sache mit dem Seeungeheuer zu erzählen, damit auch die endlich lernten, wodurch die Gezeiten entstehen.

Die Klagelieder (3): Sünden bekennen

Was soll bekannt werden, was es gar nicht gibt? Das Sündenbekenntnis ist in der Bibel ein integraler Bestandteil des Gebets. So klagt Jeremia nicht nur um das, was verloren gegangen ist. Nein, er erkennt und bekennt auch die Schuld seines Volkes. Das tut er nicht nur an einem Ort und flüchtig, sondern wiederkehrend und detailliert.

Der HERR hat über die Stadt Jammer gebracht um ihrer großen Sünden willen. (1,5)

Jerusalem hat sich versündigt. (1,8)

Schwer ist das Joch meiner Sünden. (1,14)

Der HERR ist gerecht, denn ich bin seinem Worte ungehorsam gewesen. (1,18)

Die Missetat der Tochter meines Volks ist größer als die Sünde Sodoms, das plötzlich unterging und keine Hand kam zu Hilfe. (4,6)

Machen wir doch das Sündenbekenntnis wieder zum Gegenstand in unseren Gebeten!

Mythos Chancengleichheit

Helmut Thielicke entlarvt mit Verweis auf Ernst Topitsch den Mythos der Chancengleichheit. Die Gleichheitsidee verberge sich unter dem Stichwort “Demokratisierung”.

Man wettere gegen die ‘Eliten’, um eben jene Eliten zu stürzen, die den eigenen Ansprüchen auf totale Macht entgegenstehen. Man ereifere sich gegen ‘Privilegien’, um selbst massive ungerechtfertigte Vorteile zu ergattern. Man fordere ‘Chancengleichheit’ und ziele in Wirklichkeit auf Gleichheit des Erfolges bei völlig ungleicher Leistung. Das führe aber – in zynischem Widerspiel zur vorgegebenen Gleichheitsabsicht – zur Ausbeutung und schliesslich sogar zur Entmündigung der Leistungswilligen und Ideenreichen.

Helmt Thielicke. Mensch sein – Mensch werden. Piper: München 1976. (250)

Die Klagelieder (2): Trauer nicht nur um persönlichen Verlust

Wenn wir trauern, geht es uns eigentlich meistens um eigenen Verlust. Ich erfuhr dies vor einigen Tagen am eigenen Leib, als ich eine Tasche im Zug liegen liess. Wir trauern um die verlorenen Minuten, den entgangenen Gewinn, die verpasste Chance. Jeremia sang ein Klagelied nicht für sich, sondern er trauerte über den Untergang seines eigenen Volkes. Er sah sich noch viel stärker als wir heute als Teil seiner Familie, seiner Sippe, seines Stammes und seines Volkes. Selber bestrebt um einen geradlinigen Lebensstil war er tief betroffen über das von Gott herbei geführte Gericht, dass das Kollektiv erreicht hatte.

Wie hat der Herr die Tochter Zion mit seinem Zorn überschüttet! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel auf die Erde geworfen; er hat nicht gedacht an seinen Fußschemel am Tage seines Zorns. Der Herr hat alle Wohnungen Jakobs ohne Erbarmen vertilgt, er hat die Burgen der Tochter Juda abgebrochen in seinem Grimm und geschleift. Er hat entweiht ihr Königreich und ihre Fürsten. Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen, er hat seine rechte Hand zurückgezogen, als der Feind kam, und hat in Jakob gewütet wie ein flammendes Feuer, das alles ringsum verzehrt.  Er hat seinen Bogen gespannt wie ein Feind; seine rechte Hand hat er geführt wie ein Widersacher und hat alles getötet, was lieblich anzusehen war im Zelt der Tochter Zion, und hat seinen Grimm wie Feuer ausgeschüttet. Der Herr ist wie ein Feind geworden, er hat Israel vertilgt. Er hat zerstört alle Paläste und hat die Burgen vernichtet; er hat der Tochter Juda viel Jammer und Leid gebracht. (Klagelieder 2,1-5)

Wann habe ich das letzte Mal um meine Stadt, mein Land getrauert? Wann schmerzte mich das letzte Mal die Sünde in unseren Kirchen?

P. S. Gott wird hier übrigens als aktiv Handelnder und nicht als Zulassender beschrieben!

Papablog (113): Lieber in die eigene Mördergrube blicken als den Tod des Tyrannen zu begaffen

Mitten in der Berglandschaft las ich vom Tod Ghaddafis. Mit meinen Söhnen besprach ich das Ereignis. Sie wollten eine Menge wissen. Wir haben in den vergangenen Monaten für Lybien gebetet. Der Tyrann ist tot, und es kommt Genugtuung auf. Wir Europäer (und ich zähle mich im Sinne der Kollektivschuld dazu) haben noch vor wenigen Jahren mit dem Diktator zusammen gespannt und haben ihn dann fallen gelassen. Eher als sensationslüstern die Fotos von seiner Leiche zu begaffen, sollten wir in unsere eigene Mordhöhle – unser Herz – blicken. Augustinus sagte mit Recht, dass wir nicht wissen, wozu wir selbst morgen in der Lage sind.

Ähnliche Gedanken habe ich mir bereits nach dem Tod von Osama bin Laden gemacht.

Ein nächtlicher Traum

Während dem Urlaub träume ich oft intensiv. Mindestens eine Nacht ist jeweils der geistlichen Unterversorgung in unseren Breitengraden “gewidmet”. Es ist so, als ob Gott die geistliche Not meiner Umgebung – und auch meines eigenen Herzens – vor Augen führen würde. Ich wache weinend auf. Im letzten Traum sah ich die grosse Not von emotional unterversorgten Kindern. Ich war Teil einer Kirche, die ihnen dient. Ich durfte an einem Tag 19 Paar Schuhe auf die andere Seite der Treppe stellen – unter die Menge derer, die Gott berufen und erlöst hat.

In den Köpfen ist immer noch “Überfluss” programmiert

Dieser Leserkommentar auf Rons Blog beschäftigt mich seit einigen Wochen:

Meine Frau und ich haben z.B. einen geringeren Lebensstandard als unsere Eltern – obwohl wir zur Zeit noch beide! nicht gerade “schlecht” verdienen. Wir haben nur ein kleines Auto, obwohl wir beide zur Arbeit müssen, machen deutlich “günstiger” Urlaub (wenn überhaupt) etc.

Mein Vater hat als Alleinverdiener in den 80ern mit zwei bis drei Kindern nach ca. 10 Jahren eine Doppelhaushälfte abbezahlt. Ich rechne damit, dass wir unser deutlich kleineres Reihenhaus bis zur Rente abbezahlt haben. Ehrlich gesagt sehe ich beim Großteil meiner Umgebung das gleiche Bild: Der Lebensstandard sinkt eher, obwohl der “Aufwand” dafür stetig steigt…

Die Elterngeneration hat sich ein Reiheneinfamilienhaus gekauft, zwei Autos gefahren, ein Lohn hat für die Familie gereicht. Heuer gehen beide arbeiten, und es bleibt kaum etwas übrig. Könnte es sein, dass sich die Versorgungssituation geändert hat? Ich habe das Gefühl, dass wir unseren Lebensstil der neuen Situation noch nicht angepasst haben. Mental leben wir im Überfluss, und die Billigproduktion bestärkt uns darin. Jammern ist verfehlt, wir haben als Familie vor sieben Jahren umgestellt.

Papablog (112): Eine Baumhütte und Tiere aus Tanntapfen.

Zwei Highlights aus den Herbstferien, beide fernab von Konsum und Ich-muss-noch-mehr-haben-sonst-geht-es-mir-nicht gut:

  • Meine Söhne bauten am Waldrand hinter einer Scheiterbeige eine Hütte mit Stecken und Rindenstücken. Als sie durch starken Regenfall einstürzte, wurde die Hütte neu aufgebaut und vergrössert. Die Rindenstücke wurden mit der Radetzky-Marsch-Melodie an die Baustelle geschleppt.
  • Vor dem Haus entstand ein Zoo – aus Steinen und Tannzapfen. Zudem wurden massenweise Billette aus Papier produziert, die dann in die Scheiben des Autos geklemmt wurden. (Die entladene Batterie durfte dann der Pannenservice wieder aufladen, für die Jungs ein sehr willkommener Besuch.)

Papablog (111): Kälbergeburt live.

Meine Söhne haben in den Herbstferien erlebt, wie ein Kalb zur Welt kam. Es war eine schwere Geburt, Bauer und Bäuerin mussten mit ganzer Kraft ziehen. Zwei Tage später inspiziert mein Zweiter die Mutterkuh. Er meint: “Hinten ist alles wieder zu.”