Der Bindungsforscher Gordon Neufeld definiert Bindung als Orientierungsrahmen, der sich in körperlicher Nähe, Nachahmung und Identifikation, Zugehörigkeit und Loyalität, Bedeutsamkeit und Vertrautheit ausdrücken kann. Das Kind entwickelt eine sogenannte Primärbindung entweder zu den Eltern oder aber zu Gleichaltrigen. Eine Primärbindung zu den Eltern gibt den Eltern natürliche Autorität, welche zur Übernahme der Fürsorge nötig ist. Sie steuert die Aufmerksamkeit des Kindes und hält das Kind in der Nähe der Eltern. Diese werden zu Vorbildern und Signalgebern. Die Kinder wollen es den Eltern recht machen.
Eine Bindung zu Gleichaltrigen hingegen entsteht aus der Unfähigkeit heraus, eine Bindungslücke von Seiten der Eltern zu ertragen. Durch den Machtwechsel verlieren die Eltern an Einfluss. Die vermeintliche Unabhängigkeit der Kinder ist in Wirklichkeit eine übertragene Abhängigkeit. Die Kinder verlieren ihren natürlichen Schutz vor Stress und werden durch verletzendes Verhalten unsicher. Da die Reife bei den Bindungspersonen fehlt, tritt an die Stelle der Verlässlichkeit die Unberechenbarkeit. Der Entwicklungs- und Reifeprozess beim Kind wird dadurch gehemmt. Ruhe und innere Erfüllung fehlen. Die für die Individualität und Entwicklung der Unabhängigkeit erforderliche schützende Umgebung geht verloren.
Aus: Gordon Neufeld. Unsere Kinder brauchen uns! Genius-Verlag: Bremen 2006.
P. S. Dass die von ihm entworfene Sichtweise kontrovers diskutiert wird, macht diese Leserrezension auf Amazon deutlich: „Die von ihm propagierte Eltern-Kind-Bindung ist alles andere als eine freundschaftliche gleichberechtigte Beziehung, sie ist von Grund auf hierarchisch und autoritär und an den Zweck gebunden zu erziehen.“
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