Heiko A. Oberman, Luther-Biograph zu dessen 500. Geburtstag, schreibt über den Gemeinschaftssinn des grossen Reformators und die Balance zwischen Individualismus und Kollektivismus, welche im christlichen Glauben gewahrt werden:
Menschen bedürfen in der Welt Gesellschaft, Gläubige bedürfen in der Kirche der Gemeinde. Auch wo der Einzelne in seiner unverwechselbaren Individualität vor Gott steht, braucht er die Fürbitte, die Gegenwart der Gemeinschaft. Kirchengemeinschaft bedeutet, ‘dass kein Gläubiger je allein lebt oder allein stirbt, sondern in der Gemeinschaft der Heiligen geschützt und getragen ist. … Nun gibt es tatsächlich im Gebet den höchst persönlichen, individuellen Umgang mit Gott; das Wissen, dass Christus ‘für mich’ gestorben und auferstanden ist, nicht für Strukturen, Gemeinschaften oder Anstalten, gehört unaufgebbar zu den Kennzeichen reformatorischer Theologie.
Aus: Heiko A. Oberman. Luther. Severin & Siedler: Berlin 1981.