Erziehung braucht ein Ziel

Nichts anderes als Konzepte des Guten können Erziehung rechtfertigen und so überhaupt Ziele nahe legen. Man kann – theoretisch – zum Frieden und Krieg erziehen, aber nur, wenn der Krieg als Ziel des Guten oder als gutes Ziel erscheint. Ausschliessen kann man die Erziehung zum Krieg nur dann, wenn der Friede mit dem Guten verbunden wird. Nur so – markiert als Böses – ist das Gegenteil angreifbar. Ähnlich muss die Erziehung zur Schonung der Umwelt, die Erziehung zur Erhaltung der Gesundheit, die Erziehung zur Befolgung bestimmter moralischer Sätze das jeweils  Ausgeschlossene als unzulässig und letztlich böse bezeichnen. Das Gute mag vielfältige Übersetzung und Anwendung finden, aber, der Befund wiederholt sich (und wird dadurch stark), die Idee selbst – auch wenn sie keine “Idee” im Sinne Platos ist – kann nicht beliebig geteilt werden. Sie bestimmt sich durch die Relation zu dem, was sie ausschliesst; das Gute ist der Gegensatz zum Bösen, und auf diesen Gegensatz können offenbar Theorien der Erziehung nicht verzichten.

Jürgen Oelkers. Theorie der Erziehung. Institut für Pädagogik: Universität Bern 1995. (61)