Von Allmacht und Beschränktheit der Erziehung

Darf die Pädagogik lehren, alles aus dem Menschen zu machen was man etwa will?

Diese Frage gehe auf den Unterschied zwischen dem Guten und Bösen zurück, und könne nur mit Rücksicht auf die Ethik, auf die Idee des Guten, beantwortet werden. So schreibt Friedrich Schleiermacher (1768-1834) in den Nachschriften seiner 1826 gehaltenen Vorlesungen zur "Theorie der Erziehung".

Hierbei gäbe es zwei Extreme. Einerseits können man aus jedem Menschen alles machen, was man wolle (Allmacht der Erziehung). Was wären die Konsequenzen?

Es bleibt nichts übrig als eine Bestimmung, die in der Vorliebe des Erziehers selbst zu diesem oder jenem Gegenstande liegt; so aber würde der Willkür und Subjektivität des Erziehers die Entscheidung anheimgegeben, der Zögling von dem Erzieher rein zu einem Anhang seiner selbst gemacht. Das ist vollkommen unsittlich.

Das andere Extrem ist die Beschränktheit der Erziehung. Schleiermacht schlussfolgert (dialektisch):

Wenn wir auch von der voraussetzung der allmacht der Erziehung ausgehen: so bleibt doch immer dieses fest, dass der Mensch ein Lebendiges ist, also von Anfang an ihm eine Selbsttätigkeit einwohnt in Beziehung auf alles was zur menschlichen Natur gehört. Es würde also die pädagogische Einwirkung imm eine zwiefache Gestalt haben. Zuerst wäre immer die Selbsttätigkeit hervorzulocken, und sodann zu leiten.

F. E. D. Schleiermacher. Ausgewählte Pädagogische Schriften. Ferdinand Schöningh: Paderborn 1994 (4. Auflage). (46-51)