Ich such’ mir eine neue Kirche (13): Wenn alle von ihren Erlebnissen berichten.

Wenn wir schon bei den Zielgruppen sind: J. I. Packer hat eine treffende Typologie der Evangelikalen entwickelt. Ich habe in etwas abgeänderter Form auf meine eigene Erlebenswelt übertragen.

Da gibt es die ständig nach intensiven Erlebnissen haschenden Kirchgänger, ich nenne sie mal die Winntertypen. Sie vertreten den extrovertierten, lauten, fröhlichen, selbstbewussten Typ, der von seinen letzten Highlights erzählt. Was aber geschieht mit den Niedergeschlagenen? Hier ein Leserkommentar von Rons Blog (in einem etwas anderen Zusammenhang):

Kurt Vetterli hat einmal darauf hingewiesen, dass durch die Streichung der Liturgie in den Gottesdiensten (und damit verbunden, der Wegfall von Psalmenlesungen) vor allem Depressiven ein Bärendienst erwiesen wurde, weil überall nur Menschen freudig von ihren Erlebnissen mit Gott berichten. Im Moment der Depression findet sich der Betroffene aber ganz sicher nicht in diesen Schilderungen wieder, sie erscheinen ihm wie aus einer Welt, die er nicht (mehr) kennt. Er fühlt Gott nicht mehr. Deswegen sind die Psalmen so wichtig, weil der Betroffene sein Problem, aber auch die Lösung in ihnen finden kann!

Die zweite Kategorie sind die rechthaberischen Erbsenzähler (so meine freie Übertragung), die argwöhnisch über dem Gesamtgeschehen wachen und jede Abweichung (am liebsten hinter vorgehaltener Hand, manchmal auch genussvoll öffentlich) kommentieren. Ihre Argumente sitzen.

Das dritte Segment besteht aus Frustrierten. Sie sind auf irgendeine Weise frustriert worden: Ihre Einwände wurden ständig vom Tisch gewischt. Durch lieblosen Umgang sind sie tief verletzt worden. Oder der Alltag ihres Lebens hinkte dem Ideal so weit hinterher, dass die Kluft nicht mehr überbrückt werden konnte. Sie laufen die letzte Runde, um sich dann zu verabschieden.

Und jetzt, was fangen wir mit dieser Unterscheidung an? Sie stärkt in mir das Bewusstsein, dass ich als begnadigter Sünder in meiner Schwachheit und Trägheit gerade dieses Kollektiv brauche, um auf Zielkurs zu bleiben.

Nun sind wir aber grobsinnig und träge, zudem auch von eitlem Verstande, und deshalb haben wir äußerliche Hilfsmittel nötig, damit der Glaube durch sie in uns erzeugt und vermehrt werde und seinen Fortgang habe bis zum Ziele hin. Darum hat Gott auch diese äußeren Mittel zugefügt, um so unserer Schwachheit aufzuhelfen; und damit die Predigt des Evangeliums ihre Wirkung tut, hat er der Kirche diesen Schatz in Bewahrung gegeben. (Johannes Calvin, Institutio, IV,1,1)