Jetzt wollen wir auseinandersetzen, was die menschliche Vernunft vermag, wenn es sich um das Reich Gottes und die geistliche Einsicht handelt. Diese geistliche Einsicht besteht vor allem in drei Stücken:
(1) Gott zu erkennen,
(2) seine väterliche Huld gegen uns, auf der unser Heil ruht, und
(3) die rechte Weise, unser Leben gemäß der Richtschnur des Gesetzes zu gestalten.
In den beiden ersten Stücken, besonders im zweiten, sind selbst die sonst gescheitesten Menschen blinder als die Maulwürfe. (…)Es bleibt uns noch das dritte Stück zu behandeln, das die Erkenntnis der Richtschnur rechter Lebensführung betrifft, die wir nicht unrichtig auch die „Kenntnis der Gerechtigkeit der Werke“ nennen. Hier scheint nun der Menschengeist ein wenig erkenntnisfähiger zu sein als in den beiden anderen Stücken. Denn der Apostel bezeugt: „Die Heiden, die das Gesetz nicht haben, tun aber des Gesetzes Werke, sind … sich selbst ein Gesetz und zeigen, daß des Gesetzes Werk ihnen ins Herz geschrieben ist, sintemal ihr Gewissen ihnen zeuget, dazu auch die Gedanken, die sich vor dem Gericht Gottes untereinander verklagen oder entschuldigen“ (Röm. 2,14.15; nicht ganz Luthertext). Wenn also den Heiden von Natur die Gerechtigkeit des Gesetzes ins Herz eingemeißelt ist, so können wir gewiß nicht sagen, sie seien in der Lebensgestaltung völlig blind.
Johannes Calvin, Institutio, II,2,18+22.