Nur weil das Sein ‘denkbar’ ist, kann es überhaupt gedacht werden und zum Gegenstand einer wahren Erkenntnis werden. … Gott ist gleichsam das Urbild des Denkers: Er erschafft das Sein, indem er es denkt. Denken und Erschaffen sind bei ihm eins.
Eine Folgerung für den Wahrheitsbegriff ist die folgende:
Das Wort Wahrheit wird auch für unser ethisches Handeln zuständig. Hier zucken wir natürlich zurück, weil wir heutzutage nur die Alternativen richtig – falsch oder gut – böse in die Bewertungsskala unseres Handelns aufgenommen haben. Aber wie kann ein Handeln als ‘wahr’ bezeichnet werden? Bei Anselm (von Canterbury, Theologe aus dem 11. Jh.) ist die Sache ganz klar: ‘Wahr’ handeln wir nämlich dann, wenn Übereinstimmung von Ziel und Verhalten, von Gesolltem und Gewolltem vorliegt. Diese Übereinstimmung ist dann gegeben, wenn sich unser Tun und Handeln der Ordnung des Seins einfügt.
Aus: Helmut Thielicke, Mensch sein – Mensch werden, Piper: München 1976. (169-170)