An Weihnachten können Sie feststellen, ob Sie erwachsen sind

Ein interessanter Artikel: Sich von den Eltern abzulösen, ist nicht einfach. Es gibt zwei Wege, die Ablösung zu vermeiden:

  1. Anpassung
    Das sieht dann so aus, dass man als junger Mann oder Tochter es nicht eilig hat, von zu Hause auszuziehen. … Denn es ist ja so bequem zu Hause bei Muttern. Das Essen im “Hotel Mama” schmeckt und die Wäsche wird auch noch kostenlos gemacht. Der Vater kümmert sich um Finanzielles,  den Versicherungskram oder die Winterreifen. Oder dem jungen Paar, das eine Bleibe sucht, bieten die Eltern eine Wohnung im eigenen Haus an oder ein Nachbargrundstück, auf dem man ein Haus bauen kann. Jeder hat einen Schlüssel zur Wohnung des anderen, im Urlaub gießt man gegenseitig die Blumen und auf das kleine Kind passt die Oma auf.Alle finden das furchtbar praktisch, doch die notwendige Ablösung wird so nicht gerade einfach. Die Folgen zeigen sich oft in der Paarbeziehung, denn der Mann muss sich zwischen seiner Mutter und seiner Partnerin entscheiden (und die Frau zwischen ihrem Vater und ihrem Mann). Viele Schwiegermutter-Witze behandeln dieses Thema. Ein weiterer Weg, die Ablösung zu vermeiden, ist die
  2. Rebellion
    Um sich zu lösen, zieht man bereits im Beruf oder für das Studium mindestens 400 km weit weg, auch wenn nähere Städte ähnlich gute Studienbedingungen böten. Die Devise aber ist: “Nichts wie weg — so weit wie möglich.“ Auch hat man eine gute Ausrede, wenn die Eltern am Telefon klagen, dass man sich so selten sieht: “Ich würde Euch ja auch gern öfter besuchen, aber 400 Kilometer ist halt schon sehr weit.“ Etwas älter geworden, zieht man als Paar noch weiter weg. Nach London oder nach Australien. Dort kann man endlich “frei atmen” aber vor allem, die Eltern drohen einem nicht mehr mit überraschenden Wochenendbesuchen. Rebellion ist eine wichtige Phase — in der Pubertät. Dort “muss” der Jugendliche alles anders machen als die Eltern, um seine eigene Identität zu finden. In der Rebellion macht man von allem das Gegenteil. Hat der Vater kurze Haare, trägt man sie lang — und umgekehrt.

Angewandt auf Weihnachten

Bei der Anpassung versucht man dann, es möglichst allen recht zu machen (“Es ist ja schließlich Weihnachten!”) — zahlt aber einen Preis dafür. Entweder indem man sich zu sehr verausgabt und einem das ganze Fest keine Freude mehr macht. Oder indem man unbewusst einen Streit heraufbeschwört, weil man mehr mit den Eltern des lieben Friedens willen paktiert und der Partner aber genau spürt, dass man der heimlichen oder offenen Koalition den Vorrang eingeräumt hat. In Beziehungen geht es immer auch um Loyalitäten. Finden sich Mann und Frau zu einem Paar, zu einer neuen Familie, zusammen, müssen sie, damit das Paar eine Zukunft hat, die Loyalität zur jeweiligen Herkunftsfamilie reduzieren. Diese Entscheidung ist nicht leicht — weshalb sie manche Menschen scheuen.

Bei der Rebellion versucht man, das Eigene dadurch zu finden, indem man sich den Erwartungen der Eltern verweigert oder entzieht. Wohnt das Paar sehr weit weg, scheint die Ablösung gelungen. (“Unsere Eltern können ja nicht erwarten, dass wir nur wegen Weihnachten extra aus Neuseeland anreisen. Und die kommen aber auch nicht schnell mal vorbei!”).