In den Auseinandersetzungen von heute hat sich die schwachsinnige Gewohnheit herausgebildet, zu verkünden, dieser oder jener Glaube passe in das eine Zeitalter, in einanderes hingegen nicht mehr. Ein bestimmtes Dogma, so erklärt man uns, sei im zwölften Jahrhundert glaubwürdig gewesen, habe im zwanzigsten Jahrhundert aber keine Überzeugungskraft mehr. Genausogut könnte man sagen, eine bestimmte Ansicht sei am Montag vertretbar, am Dienstag dagegen nicht. Ebensogut könnte man von einer bestimmten These über die Welt sagen, sie sei um halb vier angebracht, um halb fünf indes fehl am Platz. Was einem Menschen glaubwürdig erscheint, hängt von seiner Grundeinstellung ab, nicht von der Uhrzeit oder dem Jahrhundert.
G. K. Chesterton. Orthodoxie. Fe Medienverlags GmbH: Kissling 2011. (149-150)