Erziehung
G. K. Chesterton beschreibt den Lebensabschnitt seiner „Erziehung“ als „Periode, während derer ich von irgend jemand, den ich nicht kannte, in etwas unterrichtet wurde, was ich nicht kennenzulernen wünschte.“ G. K. Chesterton. Autobiographie. Nova & vetera: Bonn 2002. S. 66.
Demut
Den religiösen Menschen der Vergangenheit wird als Beweis ihrer Widersprüchlichkeit und doppelten Moral immer vorgeworfen, sie hätten Bekundungen einer fast kriecherischen Demut mit eifrigem Streben nach irdischem Erfolg und mit einer beachtlichen Fähigkeit, den Erfolg auszukosten, verknüpft. Als krasser Widerspruch wird empfunden, dass jemand ebenso grossen Wert darauf legt, sich als erbärmlichen Sünder zu bezeichnen, wie er erpicht darauf ist, sich König von Frankreich zu nennen. … Addison lässt den grossen Stoiker sagen: „Dem Erfolg zu gebieten, ist uns Sterblichen nicht gegeben; Wir, Sempronius, aber tun mehr; wir verdienen ihn uns.“ … diese frohgemute Demut, diese Art, sich geringzuschätzen und zugleich für eine unendliche Vielzahl unverdienter Triumphe bereitzuhalten, dieses Geheimnis ist so einfach, dass jedermann gemeint hat, es müsse dahinter etwas ganz Finsteres und Unerklärliches stecken. Demut ist eine so praktische Tugend, dass alle meinen, sie müsse ein Laster sein. Demut ist so erfolgreich, dass sie für Hochmut gehalten wird.
G. K. Chesterton. Ketzerei. Insel Taschenbuch: Berlin 2012. (61+63; der Rest der Zitate stammt aus demselben Buch)
Relativismus
Dass es keine goldene Regel gibt, ist wiederum eine goldene Regel oder vielmehr etwas viel Schlimmeres als eine goldene Regel. Es ist eine eiserne Regel, eine Fussfessel, die dem Menschen keinen Schritt zu tun erlaubt. (55)
Modeströmungen
Millionen sanftmütiger Männer im schwarzen Frack halten sich für gesund und vernünftig, nur weil sie jeweils der neusten Tollheit verfallen. (53)
Missverständnisse
Wer missverstanden wird, geniesst gegenüber seinen Feinden stets den Vorteil, dass sie seinen Schwachpunkt oder seine Strategie nicht kennen. (49)
Weltenbummler
Ein Mann kann ein versierter Schürzenjäger sein und doch von der ersten Liebe keine Ahnung haben; ein Mann kann so viele Länder kennen wie Odysseus und doch von Vaterlandsliebe nichts wissen. (44)
Der Weltenbummler lebt in einer kleineren Welt als der Bauer auf seiner Scholle. Ihm haftet stets ein Moment von Ortsgebundenheit an. London ist ein Ort, der sich mit Chicago vergleichen lässt; Chicago ist ein Ort, der nach einem Vergleich mit Timbuktu verlangt. Aber Timbuktu ist kein Ort, denn zumindest da leben Menschen, denen es als das Universum gilt, Menschen, die frei sind von Ortsgebundenheit und den Odem der Welt atmen. … dem Weltenbummler fehlt die Geduld, Teil von etwas zu werden. (45)
Wahre Romantik
Einen Brief einwerfen und heiraten – dies beides gehört zu den wenigen Dingen, die noch durch und durch romantisch sind; denn damit etwas vollständig romantisch ist, muss ihm Unwiderruflichkeit eigenen. (38)
Fortschritt
Jedem Ideal der Religion, der Vaterlandsliebe, der Schönheit oder der nackten Vergnügungssucht halten wir das alternative Ideal des Fortschritts entgegen – das heisst, wir beantworten den Vorschlag, uns etwas zu beschaffen, das wir kennen, mit dem Gegenvorschlag, uns vielmehr von weiss der Himmel was zu verschaffen. … Schon der Name „Fortschritt“ deutet auf eine Richtung hin; sobald wir an dieser Richtung im mindesten zu zweifeln beginnen, wird uns im gleichen Masse der Fortschritt zweifelhaft. …. Wir aber sind genau darüber, über die Richtung, uneins. (32-33)