Autsch! Was passiert, wenn wir gezwungen sind, Stellung zu nehmen? Wer hat unsere Generation darauf vorbereitet, gegen Unrecht aufzustehen?
Unser Angstmacher Nummer fünf ist das klare Statement. Er ist es auch, der uns so still werden lässt. Er ist es, der uns ständig verbietet, laut und klar unsere Meinung kundzutun zu dem, was wir über den Gang der Welt im Allgemeinen und Speziellen denken. Denn er hält unser Peinlichkeitvermeidungsideal hoch wie kein anderer. Und macht damit unsere sowieso schon so stark ausgeprägte Pathos-Allergie und unsere damit einhergehende Sucht nach überlegener Ironie nur noch schlimmer, als sie sowieso schon ist.
Mit der folge, dass sich eigentlich so gut wie niemand mehr traut, den Mund aufzumachen. Zumindest nicht, um sich allen Ernstes vor andere hinzustellen und völlig ironie- und schambefreit in die Welt zu rufen, was er glaubt, wofür er steht, wen er wählt und worauf er hofft. Die Wahrscheinlichkeit, dass er dadurch unangenehm auffällt, liegt mittlerweile bei ungefähr einhundert Prozent. Einen so wahrscheinlichen Imageverlust mag der Grossteil von uns aber verständlicherweise einfach nicht riskieren. Und hat es sich deshalb lieber im sicheren Land des exnegative gemütlich gemacht. Dort muss man nämlich nicht mit der Angst leben, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Denn hier äussert man sich prinzipiell nur im Namen des Ausschlussprinzips und deshalb eigentlich gar nicht. Alles, was man tun muss, und immer schön auf der sicheren Seite zu liegen, ist konsequent Nein zu sagen. Und darauf zu vertrauen, dass einen schon nie jemand nach dem Ja fragen wird.
Nina Pauer. Wir haben keine Angst. Fischer: Frankfurt 2011. (175-176)