Gegen die Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Berufung

Deshalb rate ich niemandem, ja ich rate vielmehr allen  ab, in einen Orden oder Priesteramt zu treten, er sei denn mit dem Wissen ausgerüstet, daß er verstehe, daß die Werke der Mönche und Priester, wie heilig und hoch sie auch sein mögen, vor dem Angesicht Gottes in nichts unterschieden sind von den Werken eines Bauern, der auf dem Acker arbeitet, oder eines Weibes, das ihrer Haushaltung wartet, … Ja, es kommt häufiger vor, daß ein häusliches und schlichtes Werk einer Magd oder eines Knechtes Gott wohlgefälliger ist als alle Fasten und Werke eines Ordensmannes und Priesters – wegen des fehlenden Glaubens. Weil demnach die Gelübde heutzutage wahrscheinlich nur zur Prahlerei und zur Anmaßung wegen der Werke dienen, steht zu fürchten, daß es nirgends weniger Glauben, weniger von der Kirche gibt als eben bei Priestern, Mönchen und Bischöfen, und daß sie rechte Heiden und Heuchler sind, die sich für die Kirche oder für das Herz der Kirche, ebenso für Geistliche und Leiter der Kirche halten, obwohl sie doch nichts weniger als das sind.

Martin Luther, Von der babylonischen Gefangenschaft, Kapitel 3