Die Transaktionsanalyse: Eine kurze Analyse

In letzter Zeit bin ich vermehrt in Kontakt mit der Transaktionsanalyse gekommen. Hier habe ich einige Informationen sowie Hinweise zur Beurteilung zusammengestellt. Wen das Thema des Zusammenhangs zwischen Seelsorge und Psychotherapie weiter interessiert (ich bin Vertreter einer sorgsamen Integration, wobei die Bibel prioritärer “Kontroll-Filter” bleibt),  den verweise ich auf diesen Beitrag.

1. Informationen zur Transaktionsanalyse

  • Eine umfassende, wenn auch umfangreiche Einführung ist auf deutsch im Herder-Verlag erschienen. Das Buch ist gut lesbar und durchsetzt mit vielen Beispielen.
  • Wie bei allen psychologischen Schulen ist es wichtig sich zu informieren, welche Gründerfiguren (im Falle der TA ist dies Eric Berne, 1913 – 1970; Berne war ursprünglich Armeepsychiater) in welchem geschichtlichen und soziologischen Kontext (2. Weltkrieg/Nachkriegszeit) die Schule begründet haben.
  • Als Grundmodell der Kommunikation dienen die sogenannten Ich-Zustände.
  • Es sind zahlreiche weitere Modelle entwickelt worden, wie z. B. die inneren Antreiber, das v.a. in Konflikten relevante Drama-Dreieck, Lebensskript, Passivität und Symbiose, Strokes, Spieleinladungen und –verläufe, ok-ok-Corrall etc. (hier geht es zu einer Zusammenfassung). In dieser Arbeit sind die wichtigen Begriffe kurz zusammengefasst und mit Literaturhinweisen versehen.
  • Die deutsche Gesellschaft für TA (DGTA) hat zudem ein ausführliches Wörterbuch online gestellt.

2. Einordnung und Beurteilung

Eine Analyse aus biblischer Sicht setzt immer auf zwei Ebenen an: Wie wird Gott berücksichtigt (A+B)? Wie wird die Natur des Menschen beschrieben (B-F)?

A) Die Persönlichkeit des Menschen ist nicht in einem Modell zu fassen.

Auch für den erlösten Menschen ist die Beschäftigung mit sich selbst gleichzeitig eine Beschäftigung mit einem Geheimnis. Augustinus, dessen „Bekenntnisse“ einen Selbst-erforschenden Zug tragen, kommt zum Schluss:

Leichter sind seine (des Menschen) Haare zu zählen als die Regungen und Empfindungen seines Herzens. … Was also bin ich, mein Gott? Was für ein Wesen? Mannigfaltiges, vielgestaltiges, ganz unermessliches Leben! (Aurelius Augustinus. Bekenntnisse. dtv: München 2007. S. 105 + 266)

Dieselbe Sicht vermittelt uns auch die Weisheitsliteratur des Alten Testaments. Wenn David in einem Lied um Schutz vor seinen Feinden bittet, merkt er an: Sie denken Schlechtigkeiten aus.

Wir sind fertig. Der Plan ist ausgedacht. Und das Innere eines jeden und sein Herz ist unergründlich. (Ps 64,7)

Gleichzeitig gilt aus der Sicht Gottes:

Scheol und Abgrund liegen offen vor dem HERRN, wie viel mehr die Herzen der Menschenkinder! (Spr 15,11)

Er kennt die Geheimnisse des Herzens. (Ps 44,21)

B) Gott bleibt aussen vor.

Als Teil der humanistischen Psychologie des 20. Jahrhunderts gilt die Prämisse, dass Gott bei Analyse und Lösungsfindung ausgeklammert bleibt. Er ist aber nicht ersatzlos gestrichen, sondern durch den Menschen selbst ersetzt.

Im Aufsatz „Lernen mit und ohne Gott – was ist anders, was bleibt gleich?“ habe ich mich damit befasst, was sich durch das Ausklammern Gottes in Lernprozessen ändert. Meine Schlussfolgerungen:

  • Erstens die Fähigkeit des Menschen zu lernen: Der Mensch erweitert und verfeinert sein Wissen über sich und die Schöpfung dank Gottes allgemeiner Gnade. Ja, er besitzt sogar unterdrückte Erkenntnis von Gott. Gott kann daher nie aus dem Metamodell des Lernens verschwinden, er muss ersetzt werden. Wenn der Mensch ohne Gott lernt, muss er Gott neu definieren. Diese Art der Erkenntnis ist dann losgelöst von Gott, der immer (noch) da ist.
  • Zweitens die Fähigkeit des Menschen Informationen zu bewerten: Wie Bavinck sagt, dass nur ein Gott der Wissenschaft und der Moral existiert15, können Fakten und Gefühle nie voneinander getrennt werden. Auch der gefallene Mensch hat einen Teil von Gottes Moralgesetz verinnerlicht. Weil er aber die Spannung zwischen seinem Tun und seinem Wissen um das Gute spürt, muss er das Moralgesetz neu interpretieren und sein Gewissen betäuben.
  • Drittens die rastlose Suche des Menschen nach Glück, die sich auch in seinem Lernprozess spiegelt. Weil es das Ziel des Menschen ist Gott zu verherrlichen und sich an ihm zu freuen, leidet er darunter, dass er bloß immanente Ziele ansteuert. Er ist ruhelos um ein (Lern-)Ziel zu finden, das ihm das Glück bescheren soll. Wenn aber Gott in seinem Metamodell des Lernens integriert ist, kann alles in indirekter oder direkter Beziehung zu Gott gesehen werden.
  • Viertens das Fehlen eines absoluten Rahmens für ethische Entscheidungen: Der natürliche Mensch definiert das „Was“ und tappt bezüglich des „Warum“ im Dunkeln. Wo aber Gott der hauptsächliche Referenzpunkt ist, kann das „was“ mit dem „warum“ in direkte Beziehung gebracht werden. Der Mensch weiß nicht nur um den Grund seines Daseins, er verfügt auch über eine zuverlässige Grundlage für seine ethischen Entscheide.

C) Wertschätzung und Anleitung zur Selbstverantwortung

Die Transaktionsanalytiker begegnen ihren Klienten mit Wertschätzung, die gepaart ist mit dem Bewusstsein, mit einem verantwortlichen Gegenüber zu tun zu haben. Sie decken fatale Kommunikationsmuster auf und adressieren die Aufgabe, diese Muster aufzulösen, nicht ans Umfeld, sondern an die betreffende Person. In der Tat ist jeder Mensch, im Ebenbild Gottes, verantwortlich handelndes Geschöpf!

D) Ein zu optimistisches Menschenbild

Was ich in meinem Aufsatz über das Menschenbild von Carl Rogers formuliert habe, gilt auch in Bezug auf die TA:

Rogers baut auf einem zu optimistischen Menschenbild auf, in dem der Mensch sich selbst Sinn und Ziel ist. Auf den Punkt brachte dies eine Klientin: „Endlich finde ich Frieden in mir selbst.“ Rogers ging davon aus, dass der Mensch einen Kern bei sich entdecken würde, der „andere weder belohnen noch bestrafen wollte, ein Selbst ohne Hass, ein Selbst, das zutiefst sozialisiert war.“  Dieses Paradigma ist aus Sicht der Bibel klar abzulehnen.

Das bedeutet nicht, dass die Werke von nicht wiedergeborenen Menschen gänzlich unnütz wären, wie es das Westminster Bekenntnis ausdrückt (Art. 16.7): „Werke von nicht wiedergeborenen Menschen mögen ihrem Tatbestand nach Dinge sein, die Gott gebietet, und für sie selbst und andere von gutem Nutzen sein.“  Wenn die Sündhaftigkeit des Menschen jedoch ausgeblendet wird, verändern sich Selbst- und Fremdwahrnehmung grundsätzlich (siehe z. B. hier).

E) Begrenzte Verträge als Form des Zusammenlebens

Eine sehr wichtige Funktion nimmt die sogenannte Vertragsarbeit ein. Das heisst, es wird mit dem Klienten eine mündliche und/oder schriftliche Vereinbarung ausgehandelt. Dieses Aushandeln zeitlich begrenzter Verträge, die auf der Übereinstimmung zweier Menschen fussen, ist sehr zeitgemäss. Die Frage ist allerdings: Was geschieht, wenn diese Verträge immer wieder aufgelöst werden? Was dies für Partnerschaft bedeutet, hat Ron kürzlich beschrieben.

F) Ein individueller Bezugsnahmen

Die Wahrnehmung der Realität eines Menschen wird bestimmt durch das eigene Selbstverständnis, das Verständnis der anderen und der Welt, welches sich in Begriffsbildungs-, Emotions- und Handlungsweisen ausdrückt. Dieser „Bezugsrahmen“ der TA ist kompatibel mit dem postmodernen Relativismus. Über die Gefahren dieser anscheinend toleranten Haltung habe ich in diesen Beiträgen geschrieben.