Unterricht zu Hause (5): Falle Perfektionismus

Wiederum beschränkt sich diese Gefahr nicht nur auf Eltern, die ihre Kinder selber unterrichten, sondern sie ist eine Begleiterscheinung unserer Gesellschaft. Parallel zum materiellen und medialen Überangebot geht der Anspruch, für sich selbst, die (Klein-)Familie nur das Stimmigste, Beste, Angenehmste, Spannendste und Sinnvollste herauszuholen (siehe dieses Zitat vom Kinderpsychiater Wolfgang Bergmann).

Dies erhöht die Spannung, denn der Anspruch steht mit der Realität im Widerspruch. Theologisch gesehen sind die Perfektionisten die „zweitdümmsten Menschen auf dieser Welt“ – so ein Freund von mir -, denn sie nehmen einen Zustand vorweg, den Gott erst in der Zukunft verheissen hat (siehe hier).  

Eine Mutter von zwölf Kindern, die über Jahre mehrere ihrer Kinder zu Hause unterrichtet hatte, brachte es im Gespräch mit mir auf den Punkt: Man kann aus Füchsen keine Vögel züchten. Sprich: Wir können nur das unterstützen und fördern, was vorhanden ist. Das betrifft sowohl das Potenzial als auch den Entwicklungsstand des Kindes. Dass sich Entwicklung nicht kontinuierlich, sondern mit Verzögerungen, Sprüngen und Rückfällen vollzieht, ist uns im Kopf schon bewusst. Doch unser Anspruch an das Kind ist oft ein anderer. Wir bieten ihm die ruhige Umgebung zu Hause, eine Auswahl an Lehrmitteln, Methodenvielfalt und Begleitung an – und das Kind „funktioniert“ nicht so, wie es unseren Vorstellungen entspricht. Wir können Inhalte anbieten, die nach unseren Vorstellungen spannend sein müssten. Und das Kind nimmt es nicht, nur widerwillig oder erst in einer späteren Entwicklungsphase an.

Eine Studie aus den USA hat sich mit den Gründen beschäftigt (Quellenangabe z. Z. nicht verfügbar), welche Mütter mit dem Heimunterricht aufhören. Die Ergebnisse zeigen, dass der Ordnungsperfektionismus bei der Erledigung des Haushalts eine wesentliche Rolle für „Abbrecher“ spielt. Manche fragen sich, wie die Unterrichtenden mit der Mehrfachrolle von Mutter und Lehrer(in) klarkommen. Entscheidender ist jedoch die Gelassenheit in der Doppelrolle Versorger und Unterrichtender. Als verkappter Ordnungsperfektionist weiss ich aus eigener Erfahrung: Wer die falschen Prioritäten setzt und die Kraft auf unwichtige, vermeid- oder aufschiebbare Erledigungen konzentriert, dem fehlt sie dann im täglichen Lernen mit den Kindern.

Übrigens: Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit Gedankenmustern und Veränderungsstrategien für Perfektionisten. Wer sich mit dem Thema näher befassen möchte, dem empfehle ich „Die Kunst nicht ganz perfekt zu sein“ von Ulrike Zöllner.