Wir lernen unsere Kinder nicht die Klagepsalmen zu beten

Eben komme ich aus einer sehr bewegenden Vorlesung über die Theodizee-Frage (“The Importance of the Initial question for the Treatment of the Problem of Theodicy”). Gestandene Männer berichteten vom Leid, das sie persönlich und in ihrem Dienst erlebt hatten. Die Schwäche der Theologie besteht wohl darin, sich auf die Suche von Antworten auf logische Widersprüche zu beschränken, anstatt innerhalb des Horizonts des Glaubens mit ihnen zu ringen. Das bedeutet: Zu Gott statt über ihn zu reden (“to beg God for God”, “to plead God against God”).

Es scheint, als ob es zur “praxis pietatis” – zum üblichen Frömmigkeitsverständnis – von uns Evangelikalen gehört, immer “Halleluja” rufen zu müssen. Und die Kinder, die in unseren Reihen aufwachsen, werden so “sozialisiert”. Es fehlt ihnen das Training, in den anderen Situationen klar zu kommen. Dieser fehlende Ausdruck lässt ihnen kaum eine andere Chance, als sich abzuwenden oder zu flüchten. Wie wäre es, wenn wir ihnen lehrten, die Klagepsalmen zu beten?

Zum Beispiel Psalm 13:

HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?
Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele / und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?
Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott! Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe,
dass nicht mein Feind sich rühme, er sei meiner mächtig geworden, und meine Widersacher sich freuen, dass ich wanke.
Ich aber traue darauf, dass du so gnädig bist; / mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst. Ich will dem HERRN singen, dass er so wohl an mir tut.