Die dunkle Zeit setzt ein. Manche Menschen sehnen sich nach dem Frühling und Sommer zurück. Depression ist Volkskrankheit, wird behandelt und therapiert. Welche Alternativen und Ergänzungen gibt es? Hier las ich den berührenden Bericht:
Meine Mutter sang alle Lieder mit. Befiehl du deine Wege, und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der die Himmel lenkt. Paul Gerhardt. Sie kannte alle zwölf Strophen auswendig. Paul Gerhardt hat sie als Akrostichon gesetzt: Die ersten Worte aller Strophen bilden einen Satz aus Psalm 37: „Befiehl dem Herrn deinen Weg und hoff‘ auf ihn, er wird’s wohl machen.“ Sie sog aus dem Text, der Dichtkunst und dem Psalmvers dreifachen Trost und bangte, dass er bis zum kommenden Nachmittag hielt. Der Bajazzo ist ein Spaßmacher, der sich seine Trauer nicht anmerken lässt. Sie musste und sie wollte die ausgeglichene Fassade bewahren.
Das nächste Lied: Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl; das macht die Seele still und friedevoll. Eine Brandung aus Rauschen und Gesang rollte durch die Wohnung. Die Wellen schlugen am Mixer hoch, dann liefen sie aus ins Schlafzimmer zum Zerstäuber. Ist’s doch umsonst, dass ich mich sorgend müh, dass ängstlich schlägt mein Herz, sei’s spät, sei’s früh. Meine Mutter sang gegen die Traurigkeit, gegen das Gefühl, dass ihr Leben sinnlos ist, gegen die Angst, dass die Kräfte nicht reichen.
Sie hat sich gefragt, warum der Trübsinn sie so häufig befiel. Aber die Frage suchte nicht unbedingt nach Antwort. Von Anfechtung las sie auch in der Bibel, die sie jeden Morgen aufschlug. Anfechtungen begleiteten den Glauben und dienten als Beweis dafür, dass der Böse immer noch mächtig war. „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch“, las sie im ersten Petrusbrief. Das half ihr, und das bedrückte sie, denn es gelang ihr nicht, ihre Sorgen abzuwerfen.