Überarbeitete Notizen aus der Vorlesung mit Dr. Ashley Null „Die Rechtfertigungslehre der Reformatoren“
Das Hauptziel der mittelalterlichen Kirche war die Rechtfertigung der Menschen. Die Frage jedoch ist, wie Rechtfertigung verstanden wurde. Es ging darum, heilig in Gottes Gegenwart zu stehen. Die Heiligung Gottes kann man mit einer grossen Fliegenfalle vergleichen: Sünde überlebt die Gegenwart Gottes nicht. Was also nötig wurde, war ein „Right-standing“, also das Recht in Gottes Gegenwart zu stehen ohne verbrannt zu werden. Der ganze Rechtfertigungsprozess bestand darin, den Menschen das Recht zu geben vor ihm zu bestehen. Dieser Vorgang dauerte länger als das Leben selbst. Damit man vor Gott rein genug wird, brauchte es nicht nur das Leben, sondern auch eine Zeit nach dem Tod.
Das Fundament des römischen-katholischen Systems ruht auf drei Begriffen: Gnade, Wahl und Verdienst.
Gnade: Was beinhaltet Gnade für einen Protestanten? Gnade ist für ihn ein Charakterzug Gottes, der ihn auf eine bestimmte Art handeln lässt. Die Lehrer der mittelalterlichen Kirche kannten eine andere Definition: Sie nannten den Heiligen Geist „nicht geschaffene Gnade“. Geschaffene Gnade bezeichneten sie als „Gnade“. Diese bedeutete so viel wie das mächtige Wirken Gottes in den Menschen.
Wahl und Verdienst: Wenn jemand die Macht Gottes erfährt, so fordert das beim Betreffenden einen Entscheid heraus. Er kann der Forderung entweder Folge leisten oder nicht. Wenn jemand Folge leistet, was passiert mit dem Verdienst? Er sammelt sich einen Vorrat an, es gibt sozusagen „Fleisspunkte“. Das Lebensziel besteht darin, so viele Fleisspunkte zu ergattern, dass man in der Gegenwart Gottes bestehen kann. Wer einen schlechten Entscheid trifft, verliert diese Verdienste wieder. Es erfordert also gehorsame Entscheide, um Verdienste zu sammeln.
Welche Botschaft vermittelt dieses System? Gott hilft dir, aber es liegt (auch) an dir.