Die Ironie der Toleranz
Als ich den Post schon zusammengestellt hatte, las ich den Beitrag "Charlie Hebdo und die Ironie der Toleranz" des Theologen und Altorientalisten Mario Tafferner. Unbedingt lesen!
Ich bin dankbar dafür, dass sich ein christliches Erbe noch immer in unseren westlichen Werten niederschlägt. Doch mir als Christ ist dieses Europa auch in vieler Hinsicht fremd geworden. Wäre dieses europäische Motto der Freiheit ein Schiff, dann würde aktuell durch tausende Lecks Wasser in den Schiffsrumpf fließen. Durch das Dogma der politischen Korrektheit wird unsere Meinungsfreiheit zunehmend eingeschränkt. Das gilt für viele Themen, die z.B. unsere Sexualität, unser Verständnis vom Wert des Lebens oder eben auch unsere Vorstellung einer absoluten Wahrheit betreffen. Leider gilt das auch für das aktuelle Thema Islam.
Es braucht ein neues Bewusstsein für den öffentlichen Umgang mit Religion
Das Buch von Os Guinness zur Glaubens- und Gewissensfreiheit ist mir über den neuerlichen Vorfälle ins Bewusstsein gerückt. Was hat mich aufgewühlt? Es geht um die Grundsatzfrage:
Wie können wir künftig mit unseren grundlegenden religiösen und ideologischen Unterschieden leben, gerade wenn diese Unterschiede Teil unseres gemeinsamen öffentlichen Lebens sind?
Es geht darum zu erkennen, ob wir Grund haben, an die Würde jedes einzelnen Menschen zu glauben. Zweitens gilt es einen Weg zu suchen, zusammen trotz und mit den tief greifenden Unterschieden zu leben. Drittens muss es einen gegenseitigen Umgang geben, um Differenzen öffentlich zu diskutieren und mit Argumenten eher als mit Gewalt zu überzeugen.
Die Attentate in Frankreich katapultieren Religion in den öffentlichen Raum des öffentlichen Diskurses. Und wie! Vielleicht merken wir jetzt, dass wir als Christen sprachfähig bleiben müssen. Ich pflichte Albert Mohler bei: Die westlich-säkulare Leitreligion ist in der Beurteilung überfordert. Die Vorfälle sprengen den Denkrahmen. Religion ist Privatsache – doch was, wenn sie plötzlich aufs öffentliche Parkett kommt? Was, wenn sie die Spielregeln der Leitreligion einfach nicht respektiert?
Hier sind einige ausgewählte Beiträge aus den letzten Tagen.
Theologischer Extremismus in einem säkularen Zeitalter
Albert Mohler hat sehr zeitnah einen wegweisenden Aufsatz publiziert. Seine Beobachtungen betreffen sowohl die Haltung von Christen im Sinne einer christlichen Weltsicht auf die Vorkommnisse als auch die Überforderung von Entscheidungsträgern der säkularen Führungselite:
The reality is that secular elites in general find it incomprehensible to discern why the events in Paris yesterday took place. The denial that this type of terrorism is tied to a theological worldview, present in so many Western intellectual circles, is going to be far harder to hold in light of this kind of massacre. Even as the manhunt for the two assailants spreads throughout France and into much of Europe, the reality is that French intellectuals, European intellectuals, and their American compatriots, are finding themselves hard-pressed to deny that this is indeed a religious war—there is a theological dimension here that simply must be accepted.
Ich bin nicht Charlie Hebdo
Michael Kotsch (Bibelschule Brake, Präsident des Bibelbundes):
Soweit ich das überblicke waren die verantwortlichen Karikaturisten und Redakteure des französischen Satire- Magazins Charlie Hebdo rücksichtslose, zynischen Spötter, die besonders gerne über alles herzogen was mit Religion zu tun hat. Immer wieder trampelten die Journalisten mit ihren zuweilen blasphemischen Zeichnungen auf den Gefühlen anderer Menschen herum. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Daran ändert die brutale Ermordung der Mitarbeiter dieser Zeitschrift nichts. Natürlich ist der Anschlag auf die Redaktion der Zeitschrift trotzdem vollkommen inakzeptabel. Wenn einer sein Recht auf freie Meinungsäußerung missbraucht, ist das natürlich keinesfalls eine Rechtfertigung ihn zu ermorden.
Eigentlich wundert es mich kaum, dass atheistische Journalisten für ihre atheistischen Kollegen eine beispiellose Solidaritäts- Aktion lostreten. Plötzlich bekennen Millionen Internetnutzer „Ich bin Charlie Hebdo“. Sich solch einem Hype anzuschließen kostet natürlich auch nicht viel, selbst wenn man das entsprechende Satire- Magazin bisher gar nicht kannte. – Dieselben atheistischen Journalisten messen allerdings nicht mit dem gleichen Maßstab. Als vor wenigen Jahren zwei Schülerinnen der Bibelschule Brake auf ähnliche Weise im Jemen ermordet wurden, rief keiner dieser Journalisten zu einer Solidaritäts- Kundgebung auf. Ganz im Gegenteil, Christen wurden angegriffen und von Medienvertretern öffentlich diffamiert. Sie seien doch schon fast selbst Schuld für ihre Ermordung. Wahrscheinlich hätten sie die muslimischen Terroristen provoziert. Spätere Polizei- Untersuchungen widerlegten alle diese Spekulationen. Im Fall Charlie Hebdo aber wird mit einem anderen Maßstab gemessen, weil die Opfer diesmal keine „unliebsamen Christen“ sondern atheistische Journalisten waren.
Bei der Diskussion über den Anschlag auf Charlie Hebdo in den öffentlich- atheistischen Medien kann man eigentlich nur die Krise bekommen. Alle Beiträge, die ich bisher im WDR und anderen öffentlich- rechtlichen Sendern gehört habe, wiederholen gebetsmühlenartig dieselben Klischees wie schon seit Jahren.
Alle sind sich scheinbar vollkommen klar darüber, dass der Islam mit diesem Anschlag eigentlich nichts zu tun hat. Zwar sind die mutmaßlichen Täter bekennende Muslime, sie gingen gegnen ein Magazin vor, das den Islam verspottete, sie schrien bei dem Überfall islamische Parolen … und dann soll der Anschlag nichts mit dem Islam zu tun haben? Sehr seltsam!„Der Islam ist eine Religion des Friedens“ ist immer wieder zu hören. Problematisch ist da schon, dass die meisten der atheistischen Journalisten vom Islam kaum eine Ahnung haben. Auf der anderen Seite ist es absolut unsinnig, wenn jedes Jahr weltweit zehntausende von Menschen durch Islamisten grausam ermordet werden, den Islam als „Religion des Friedens“ zu bezeichnen. Die Terroristen plakatieren ihre Häuser und Autos mit Koran- Suren, massakrieren alle Andersgläubigen die ihnen in die Hände fallen, betonen bei jedem Interview ihre islamische Gesinnung und dann sagen uns die Medienvertreter ein übers andere Mal, das habe nichts mit dem Islam zu tun. Sehr seltsam!
Sicher, nicht alle Muslime sind potentielle Mörder, das sollte klar sein, aber der Islam hat offensichtlich ein immenses Gewaltproblem. Obwohl es auf der Welt deutlich mehr Christen gibt als Muslime, finden sich keine vergleichbaren christlichen Terrororganisationen.
Andere Kommentatoren äußern, die Attentäter hätten ihre Tat nicht aufgrund von religiösen Gründen verübt, sondern weil den Politik ihnen keine Chance gegeben habe. Sie hätten eine schlechte Ausbildung, keine gesellschaftliche Anerkennung und wenig Geld, deshalb hätten sie nur diesen Ausweg gesehen. Sollen wir daraus schließen, dass alle, die in einer Gesellschaft benachteiligt werden oder sich benachteiligt fühlen demnächst mit einer Automatikwaffe ihre Mitmenschen über den Haufen schießen, weil es keine andere Möglichkeit gibt? Die meisten der hunderttausende Migranten in und um Paris haben offensichtlich eine andere Perspektive. Sehr seltsam!
Noch ein anderer Journalist vermutete, es gäbe in der islamischen Welt wahrscheinlich so viel Gewalt, weil die psychisch- psychologische Behandlung der Menschen in diesen Ländern nicht so ausgeprägt sei. Deshalb trügen sie ihre inneren Konflikte auf diese Weise aus. Sehr seltsam!
In den Medien sind auch immer nur die gleichen muslimischen Vertreter zu hören, die ständig betonen wie friedlich alle Muslime sind. Natürlich ist das kein Wunder, weil in den atheistischen Medien nur diese Gruppe von Muslimen ans Mikrofon gelassen wird. Es wäre hier viel ehrlicher, offen zu sagen, dass es eben auch die gewaltbereite Fraktion unter den Muslimen gibt. Natürlich sind das nicht alle, aber es gibt sie, sie sind auch Muslime und sie wollen ihren Glauben mit Gewalt verbreiten.
Jedenfalls: Ich bin nicht Charlie Hebdo.
Blutspur im Namen des Islam
Ein dritter Beitrag wird von der Zeitschrift Cicero verantwortet. Richtig – es gilt sauber zu differenzieren:
Ja: Ich weiß, warum solche Sätze jetzt gesagt werden. Weil man all die Millionen friedfertigen Muslime in Deutschland und anderswo nicht verantwortlich machen darf für die barbarischen Akte einzelner Attentäter. Und weil man Fremdenfeindlichkeit und Hass vorbeugen möchte. Das ist ein richtiges Anliegen. Aber dann muss man es auch präzise sagen.
Deshalb nein: Ich kann und will diese Beschwichtigungen nicht mehr hören. Seit anderthalb Jahrzehnten zieht sich eine Blutspur um die Welt. Im Namen keiner einzigen anderen Religion ist seit den Anschlägen auf das World Trade Center derart bestialisch gemordet worden. Nur im Namen des Islam werden diese barbarischen Taten begangen. Zuletzt in Sydney in einem Café, vorher in England, wo zwei Attentäter einen Soldaten auf offener Straße mit einem Schlachtbeil regelrecht zerhackt haben. Die grauenhaften sadistischen Massaker des so genannten Islamischen Staates in Syrien und im Irak, der Terroranschlag auf Busse und die U-Bahn in London: Das alles hat man im Kopf, dazu die Attentäter, die „Allah ist groß!“ rufen, wenn Sie den Finger am Abzug haben. Und gleichzeitig echot der Satz im Kopf: „Terroranschläge haben nichts mit dem Islam zu tun.“ Man fasst es nicht. Man fasst es einfach nicht.
Vor lauter Frankreich Nigeria nicht vergessen
Man darf auf keinen Fall vergessen, was an anderen Orten der Welt passiert. Da wurden zum Beispiel an einem Abend in Nigeria 2000 Christen hingerichtet (Pro Medienmagazin-Meldung). Scheusslich.
Über 2.000 Tote gab es, als Boko Haram am Mittwoch den Ort Baga im äußersten Nordosten Nigerias zerstörte. Baga sei eine christliche Stadt gewesen, aber auch Muslime hätten dort gelebt, sagte Emmanuel Ogbunwezeh, Afrikareferent der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), gegenüber pro. Die Terroristen hätten jedoch keinen Unterschied zwischen den Menschen gemacht und den ganzen Ort niedergebrannt. „Baga existiert nicht mehr“, sagte Ogbunwezeh. Nigerianische Beamte hatten die vom britischen Sender BBC gemeldeten Opferzahlen zurückgewiesen und gingen von einigen Hundert aus. Ogbunwezeh bestätigte jedoch die Medienangaben.