Gastbeitrag von jk
„Es heißt, wir würden in einer säkularen Welt leben, aber das trifft die Sache nur ungenau. Auch das moderne Neuheidentum hat seine Götzen und Kultstätten. An die Stelle des Personals des Alten Testaments sind eine Vielzahl neuer Propheten und Gebote getreten, die nicht weniger Verehrung verlangen als die alten. Der westlichen Säkularreligion ist der Spott über Gott heilig, weshalb sie den Schmerz der Katholiken und Muslime über die Verhöhnung ihres Glaubens nur mit Achselzucken quittiert. Aber wehe, jemand reißt einen Witz über Frauen, Lesben oder Schwule. Dann hört auch hier der Spaß schlagartig auf, und es droht dem Ketzer die soziale Hölle.“
Jan Fleischhauer – SPIEGEL-online 10.2.2015
In Westeuropa sind schätzungsweise 80-90% der Bevölkerung säkular. (Traditionelle) Religionen, namentlich das Christentum, spielen für diese Menschen zumeist nur eine untergeordnete Rolle. Dabei ist der Säkularismus kein einheitliches Gebilde. Und doch erscheint er uns immer deutlicher in der Gestalt, die in dem oben angeführten Zitat zum Ausdruck kommt.
Diese Form des Säkularismus wird uns von den westlichen Eliten mit großem Elan übergestülpt. Aus diesem Grund bezeichne ich sie gerne als Säkularismus von oben.
Auf der einen Seite manifestiert sich bei einem Großteil der Bevölkerung der Säkularismus eher in einer hedonistischen Ihr-Gott-ist-ihr Bauch-Lebensweise. Auf der anderen Seite stehen die Vertreter des Säkularismus von oben. Sie sind vergleichsweise wenige, aber sie sitzen an den Schalthebeln unserer westlichen Gesellschaften. Dass es durchaus gesellschaftlichen Widerstand gegen ihre Dogmen gibt, sieht man an den verkauften Exemplaren der Bücher von widersprechenden (also ketzerischen) Autoren wie Broder, Pirinçci oder Sarrazin. Die Vertreter des Säkularismus von oben zeigen sich davon aber eher ungerührt oder setzen alternativ die Inquisition des medialen Rufmords dagegen.
Manche behaupten, diese Form des Säkularismus ziele auf die Abschaffung aller Religionen mit Absolutheitsanspruch. Ich behaupte (ähnlich wie Jan Fleischhauer): Der Säkularismus von oben ist selbst eine Religion mit absolutem Wahrheitsanspruch. Und wie jede andere Religion auch hat er seine eigene Theologie.
Sein Gott ist der Pluralismus.
Seine Dogmatik ist eine gemäßigt linksliberale politische Einstellung gemischt mit postmodernen und feministischen Einflüssen, die die pluralistische Gesellschaft verehrt. Als gut gilt, was fremd, bunt und anders ist. Alles Traditionelle, Konservative und Christliche ist eher schlecht. Ich als weißer, männlicher, heterosexueller, bekennender Christ ohne Migrationshintergrund bin damit unterste Schublade. Ein säkularer Heiliger wäre ich als bisexueller Transgender mit einer aufgeklärten buddhistisch-islamischen Mischreligion und irgendeinem Migrationshintergrund.
Seine Ethik ist die Political Correctness. Heißt so viel wie: Allen, die dogmatisch ‚gut‘ sind, begegnet man mit voller Unterstützung. Selbst wenn eine Interessensgemeinschaft eine zahlenmäßig völlig unbedeutende Randgruppe der Gesellschaft ist, bemüht man sich massiv, Rechte für sie zu erkämpfen. Abweichende Ansichten werden als intolerant oder XY-phob bekämpft, vor allem, wenn sie den exklusiven Wahrheitsanspruch des Säkularismus von oben angreifen. Da hört die politisch korrekte Nettigkeit dann ganz schnell auf.
Seine Prediger und Propheten findet man vor allem unter Politikern, Stars, Journalisten, Professoren und ganz prominent unter Kirchenvertretern (und dabei ist mir bewusst, dass ich eigentlich ‚Politiker_*x#Innen …‘ hätte schreiben müssen).
Seine Kirchen und Tempel sind die Medien. Der große Vorteil gerade an den neuen Medien ist, dass sie es dem säkularen Menschen ermöglichen, seinen ‚Gottesdienst‘ ganz privat zu feiern, da die Botschaft direkt ins Wohnzimmer kommt.
Zum einen sind da die Informationsmedien zu nennen. Nein, ich möchte nicht alle Medien über einen Kamm scheren und ich bin auch kein ‚Lügenpresse-schreiender‘ Verschwörungstheoretiker. Im Gegenteil: Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir in einem Land leben, in dem nach wie vor ein hohes Maß an Pressefreiheit herrscht. Ich lese selbst gerne verschiedene Zeitungen. Und doch fallen mir bei Themen, mit denen ich mich selbst ausführlich beschäftigt habe, gefährliche Tendenzen bei der Berichterstattung auf. So wurde in den letzten Wochen der Bremer Pastor Olaf Latzel mit einer seiner Predigten zum Häretiker, weil er den Pluralismus angegriffen und somit das erste säkulare Gebot gebrochen hatte. Tageszeitungen aus allen politischen Richtungen, von der taz bis zur WELT, bemühten sich gleichsam als säkulare Inquisitoren, den Pastor in ein zwielichtiges Licht zu rücken. Selektives Zitieren erscheint dabei als allzu legitimes Mittel. Und der mediale Shitstorm wird zum Instrument der Exkommunikation.
Zum anderen wird das säkulare Gute von den Unterhaltungsmedien gepredigt. Künstler von Katy Perry (I kissed a girl…), über Pharrell Williams (…happiness ist the truth…) bis zu den Ärzten (…Männer und Frauen sind das nackte Grauen…) transportieren das säkulare Evangelium in ihren Texten sehr plakativ. Viele Filme vermitteln Selbiges eher als subtile Botschaft (Welcher Tatortkommissar lebt beispielsweise noch in einer glücklichen traditionellen Ehe? – aktuell kein Einziger). Und für führende Vertreter des Deutschen Fußball Bundes scheinen die ärmsten Menschen auf der Welt homosexuelle Fußballer zu sein, die angsterfüllt vor einem Outing zurückschrecken – als gäbe es in unserer Gesellschaft keine drängenderen Probleme. Der Missionseifer des Säkularismus von oben ist also enorm.
Dass es sich dabei übrigens um kein stringentes Weltbild handelt, sieht man beispielsweise am Islam. Mir scheint, als sei sich der westliche Säkularismus alles andere als einig darüber, wie dieser zu bewerten ist. Das ist ja auch wirklich nicht einfach. Auf der einen Seite ist der Islam fremd, exotisch und einfach anders. Damit ist er natürlich per se erst einmal gut, denn er trägt zu einer bunten Gesellschaft bei. Jede Kritik an ihm macht einen zum islamophoben Rassisten – man verfällt als Islamkritiker quasi dem säkularen Sündenfall. Auf der anderen Seite zeigt sich der Islam oft verfassungsfeindlich, exklusiv und nicht gerade als Vorreiter in Sachen Frauen- oder Homosexuellenrechten. Folglich ist er gleichzeitig schlecht. Der Säkularismus wird sich vermutlich an diesem Paradoxon noch eine Weile die Zähne ausbeißen – wohl traurigerweise ohne die inneren Widersprüche zu erkennen, die der eigenen Weltanschauung zugrunde liegen.
Der skizzierte Säkularismus von oben ist nicht neutral und schon gar nicht christlich. Im Gegenteil: Er ist unvereinbar mit dem biblischen Christentum.
Dabei gibt es sehr wohl ein säkulare Variante des Christentums: Die ist nett, tritt niemandem auf die Füße, transformiert die Gesellschaft (fragt sich nur wohin) und ist sowieso immer direkt am Puls des Zeitgeistes. Sie ist aber leider viel zu nett, verschweigt am liebsten den Absolutheitsanspruch Jesu und leugnet die klaren ethischen Linien seiner Offenbarung. Sich ins Abseits katapultierend, kapituliert diese Form des Christentums gerade vor dem Säkularismus von oben und scheint es gar nicht zu merken. In den evangelischen Landeskirchen passiert das mit Vollgas, viele Freikirchen folgen mit Sicherheitsabstand aber ähnlicher Entschlossenheit. Auf der panischen Suche nach gesellschaftlicher Relevanz wird man selbst völlig irrelevant.
Danke Hanniel, dass du auf deinem Blog eine andere Antwort auf den Säkularismus von oben gefunden hast und immer wieder findest. Danke für deinen Weg der aktiv gelebten, liebevollen Konfrontation. Danke für die vielen Posts über Männer wie Schaeffer, Bavinck, Wells und andere, die uns eine klare christliche Weltanschauung lehren. Und danke für deine wiederholten Verweise darauf, dass es in dieser Welt keine weltanschauliche Neutralität gibt, sondern nur viele Lügen im Gegensatz zu der einen Wahrheit, die uns wirklich frei macht (Johannes 8,32).