Ein Zitat aus meiner Sonntagslektüre. Martyn Lloyd Jones (1898-1981) hielt in vorgerücktem Alter eine Vorlesungsreihe über den Prediger und die Predigt am Westminster Seminary. Die Vorlesungen gelten als eines seiner wichtigsten Vermächtnisse. Lloyd-Jones blickt auf mehr als vierzig Jahre zurück, in denen er wöchentlich mehrmals predigte.
Dies ist das allerwichtigste Element, das wir in Bezug auf unsere Gottesdienste wiederbeleben müssen, nämlich den Gedanken, dass man nie weiss, was genau geschehen wird. Wenn der Prediger immer genau weiss, was geschehen wird, dann sollte er meines Erachtens überhaupt nicht auf einer Kanzel stehen. Was den Dienst des Wortes so herrlich macht, ist nämlich, dass man nicht weiss, was alles geschehen könnte.
… Dem sollte eine Frage folgen: Warum sollte ein Christ sich nicht danach sehnen, so viel wie nur irgend möglich davon zu bekommen? … Mit jemandem, der behauptet, Christ zu sein und der kein Verlangen danach hat, alles das zu haben, was man aus dem Dienst der Kirche empfangen kann, stimmt in geistlicher Hinsicht etwas Grundlegendes nicht.
(Wenn Leute die Länge der Predigt vorschreiben wollen) Dies ist nicht die Haltung, die sie bei einem Spiel oder irgendeiner Fernsehsendung an den Tag legen. Dort ist das Problem, dass sie zu früh endet. Dasselbe gilt für ein Fussballspiel oder ein Baseballspiel oder was auch immer sie sonst interessieren mag – das Leidige ist, dass diese Dinge schon so schnell ein Ende nehmen. … Ich stelle nicht erneut die Frage, ob man annehmen soll, dass diese Leute einfach nur deshalb als Christen gelten, weil sie lediglich zum Gottesdienst gehen. Ich gehe nämlich davon aus, dass, wenn sie Predigten diese zeitlichen Begrenzungen auferlegen, sie mehr oder weniger bekennen, dass sie keine Christen sind, dass es ihnen an geistlichem Leben fehlt.
(Ich bin) zur der Schlussfolgerung gelangt, dass einige Leute in eine Kirche und in einen Gottesdienst zu gehen scheinen, um nach Hause zu gehen! Ihr Hauptgedanke scheint zu sein, hinauszugehen und nach Hause zu gehen. Warum kommen sie dann aber überhaupt? Das ist die Frage, die meines Erachtens gestellt werden muss.
D. Martyn Lloyd-Jones. Die Predigt und der Prediger. 3L Verlag: Friedberg, 2005. (160-163)