Ich bin eben von der Jahrestagung des Vereins Bildung zu Hause zurückgekommen. Wir diskutierten unter anderem die Frage, ob Homeschooler-Eltern der Gruppe der Helikopter-Eltern zuzurechnen sind. Der Begriff geht auf den langjährigen Präsidenten des Deutschen Schulverbands, Joseph Kraus (* 1949), zurück. Er hat 2013 das viel diskutierte Buch „Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung“ herausgegeben. Er ist übrigens als Lehrer ein prominenter Schulkritiker. Zu erwähnen ist seine Streitschrift „Ist die Bildung noch zu retten?“
Also, was sind Helikopter-Eltern? Sie überwachen jede Bewegung des Kindes. Sie fahren sie in den Turnunterricht, tragen dem Kind die Tasche nach, stecken ihm einen grossen Batzen für Süssigkeiten zu, decken es mit den passenden Markenkleidern ein, richten ihm sein Bett, setzen sich beim Lehrer mühevoll für das Kind ein (auch wenn dieses Schuld an der Misere trägt). Diese Überbehütung hört nicht in der dritten Klasse auf. Auch noch als Erwachsene werden die Krösusse von den Eltern versorgt: Wäsche inklusive, Zimmer aufgeräumt, leere Bierflaschen entsorgt, das Taschengeld für Zigaretten und Gras pünktlich geliefert, einen Zuschuss für die Party auf Mallorca mitgegeben.
Mit diesen Beispielen hoffe ich deutlich gemacht zu haben, dass diese Art der Überbehütung vor allem die Zulieferdienste der Eltern an die Kinder betrifft. Die materielle Überversorgung, die sich zuweilen auf das Verhindern von Hindernissen im Lernprozess ausweitet, geht mit einer Unterversorgung der Kernprozesse einher. Dieselben Eltern überlegen keine Sekunde, wer ihre Kinder in den rund 15‘000 Stunden staatlichem Unterricht erzieht oder wo sie sich den Rauschmittelkonsum antrainiert haben. Von klein auf wurden sie in Versorgungseinrichtungen an Profis abgegeben. Ein solcher Lebensstil ist anstrengend, Distanz von den Kindern notwendig. Wer hat schon die Kraft, sich inhaltlich und charakterlich mit dem Kind abzumühen, wenn alle Ressourcen für die Bewahrung des Kindes vor Anstrengung drauf gegangen sind?
Zugegeben: Es wird auch unter privat Unterrichtenden Helikopter-Eltern geben. Ich glaube nicht, dass es sich unter Homeschoolern besonders akzentuiert. Diese Tendenz ist ein Produkt unserer Wohlstandsgesellschaft. In aller Regel haben privat unterrichtende Eltern die Komfortzone der Verwöhnung verlassen. Nicht die Zulieferdienste stehen im Vordergrund, sondern die inhaltliche und charakterliche Begleitung. Es geht um die Begleitung des Kernprozesses: Zu lernen, wie man lernt. Lernen beinhaltet das Überwinden von (Anfangs-)Widerstand, das Erklimmen von Bergen, das Durqueren von Tälern. Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen sind gefragt. Erfolg hängt in einem hohen Mass von Selbstkontrolle ab.