Buchbesprechung: Eine kurze Darstellung der Gotteslehre (II)

Louis Berkhof. Systematic Theology. Herausgegeben 1932; revidiert 1938. 833 Seiten. Online-Download. Diese Besprechung bezieht sich auf die Gotteslehre (Teil I, S. 18-195).

Im zweiten Teil der Besprechung konzentriere ich mich auf einige kurze inhaltliche Hinweise zu Gottes Ratschlüssen, Vorsehung und Schöpfung.

Die Ratschlüsse Gottes beschreibt Berkhof als eine Art „Zwischenstück“ zwischen Gottes Wesen und Gottes Werken. Sie sind Ausgangspunkt der Schöpfung und der Neuschöpfung. Seinem gesamten Wirken liegt ein zusammenhängender Plan zugrunde. „Aus seiner Kenntnis aller möglichen Dinge heraus wählt er durch den Akt seines perfekten Willens, geführt durch weise Überlegungen, was er zur Ausführung bringen will, und formt so seine ewige Absicht (purpose).“ (111) Die Ratschlüsse dürfen nicht mit der Umsetzung in Schöpfung, Vorsehung und Erlösung verwechselt werden. Wichtig ist auch zu beachten, dass Gottes Ratschlüsse diesen zum Schöpfer von moralisch freien Wesen machen, die in sich selbst zum Verursacher von Sünde werden (116).

Die Vorherbestimmung (Prädestination) schliesst nach Berkhof zwei Teile ein: Erwählung und Verwerfung (reprobation), also die Vorbestimmung der Guten und Bösen zu ihrem endgültigen Ziel. Die eher ausführliche Behandlung des Infra- und Supralapsarianismus ist auf dem Hintergrund der grossen Debatten innerhalb des Dutch Calvinism am Anfang des 20. Jahrhunderts zu sehen. Der S. schliesst Schöpfung und Zulassung des Sündenfalls in die Prädestination mit ein, während der I. ihn auf den allgemeinen Ratschluss ein-, jedoch von einem speziellen ausklammert (129).

Die Schöpfung definiert Berkhof als “freien Akt Gottes, gemäss dem er durch seinen souveränen Willen für seine eigene Herrlichkeit am Anfang das sichtbare und unsichtbare Universum hervorgebracht hat. Dies tat er ohne Verwendung von vorher existenter Materie. Er gab dem Geschaffenen eine Existenz, die unabhängig von ihm selbst und trotzdem jederzeit von ihm abhängig war.“ (140) Gott schuf diese Welt nicht in erster Linie, um Herrlichkeit zu empfangen, sondern um seine Herrlichkeit zu manifestieren. Dabei sah er nicht über das Wohlergehen seiner Geschöpfe hinweg, sondern förderte es (149).

Fazit

Die gesamte Darstellung nimmt immer wieder inhaltlichen Bezug zu den neocalvinistischen Vordenkern Kuyper und – vor allem – Bavinck. Dazu kommt ein intensiver Dialog mit Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie z. B. Karl Barth. Bavinck wird besonders dort spürbar, wo die biblische Lehre konkurrierenden Weltsichten gegenüber gestellt wird. Berkhof sticht heraus durch kurze Abschnitte, klare Begriffsdefinitionen und – nicht zu unterschlagen – häufigen Schriftgebrauch.

Einige Begriffe

Gott als principium essendi der

Die Prinzipien der Theologie beschreiben die Realitäten, ohne die es keine Theologie geben würde. Das principium essendi bezeichnet den ersten Akteur der Theologie: Gott.

Einfachheit (simplicity)

 

In Gott gibt es eine wesenhafte bzw. substanzielle Einfachheit, auch wenn von unserem Verstand her Unterschiede getroffen werden können.

Drei Wege

via causalitatis: Ausgehend von den Wirkungen (Effekten) gehen Menschen weiter zum Ersten Grund, von der Schöpfung zum allmächtigen Schöpfer.

via negationis: Wir entfernen alle Unvollkommenheiten, die in den Geschöpfen gesehen warden und schreiben Gott die Vollkommenheit zu (z. B. unkörperlich, unsterblich).

via eminentiae: Wir schreiben Gott die bedeutendste Weise aller vorhandenen relative Vollkommenheit zu.

Essenz (Wesen), Existenz

Gott ist nicht nur gerecht, sondern er ist die Gerechtigkeit; nicht nur gut, sondern die Güte selbst; nicht nur mächtig, sondern die Allmacht selbst. Seine Gerechtigkeit, Güte und Allmacht sind identisch mit seinem Wesen (essential) in seiner Einfachheit (simplictas)

Sein ganzes Wesen ist in jeder Eigenschaft, und die Eigenschaft in seinem Wesen. ( “The whole essence is in each attribute, and the attribute in the essence.”)

opera ad intra / ad extra

Rein immanente Werke Gottes gegenüber von Werken, die direkt gegenüber seinen Geschöpfen sichtbar werden

Tugenden

 

Vollkommenheiten, die dem göttlichen Wesen in der Schrift zugewiesen werden, sichtbar ausgeführt in seinen Werken der Schöpfung, Vorsehung und Erlösung.

potentia absoluta und potentia ordinata

Vollkommenheit Gottes, durch die er kraft seines Willens ausführen kann und die in seinem Willen/Ratschluss präsent sind; aktuelle Ausübung seiner Macht

Ratschluss (decree)

»Gottes Ratschlüsse sind die weisen, freien und heiligen Beschlüsse des Rates seines Willens, wodurch er von aller Ewigkeit her zu seiner eignen Ehre unabänderlich alles vorausverordnet hat, was sich in der Zeit ereignet, besonders in Hinsicht auf die Engel und die Menschen« (Westminster Katechismus)

immanent / transzendent

It is a mark of God’s greatness that he can condescend to the level of his creatures and that, though transcendent, he can dwell immanently in all created beings. Without losing himself, God can give himself, and, while absolutely maintaining his immutability, he can enter into an infinite number of relations to his creatures. (Bavinck, RD II:159)

sensus divinitatis

Dem Menschen gehört das Bewusstsein, dass ein Gott ist, und dass ihm die Pflicht der Verehrung desselben obliegt, natürlich und wesentlich an. (Heinrich Heppe)

incomprehensible / knowable

Gott ist unfassbar, und gleichzeitig ist etwas von ihm erkennbar.

Deus Absconditus, Deus Revelatus

Offenbarter und verborgener Gott (Begriffsprägung durch Martin Luther in seiner Schrift „De servo arbitrio“)

Analoges Erkennen

Wir (er)kennen nur das, was eine gewisse Ähnlichkeit (analogy) zu unserer eigenen Natur und Erfahrung aufweist.

Allgemeine / spezielle Offenbarung

Es gibt zwei Arten der Offenbarung: Die erste ist Gottes allgemeine Offenbarung in der Schöpfung, mit der Gott allen Menschen ein gewisses Bewusstsein für ihn und seine Macht gibt – auch wenn einige Menschen Gott und seine allgemeine Offenbarung nicht anerkennen. Darüber hinaus gibt es Gottes spezielle Offenbarung in Christus und der Heiligen Schrift, von der man eine umfassendere Kenntnis Gottes bekommen kann. (Thomas K. Johnson)

Wesen (being)

Wir glauben von Herzen und bekennen mit dem Munde, dass da ist ein einziges und einfaches geistiges Wesen, das wir Gott nennen… (Niederländisches Bekenntnis, Art. 1)

An sit Deus?
Quid sit Deus?
Qualis sit Deus?

Die erste Frage betrifft die Existenz Gottes, die zweite seine Natur bzw. sein Wesen (essence), die dritte seine Eigenschaften (attributes).

Deshalb ist es unnützes Gedankenspiel, wenn einige sich eifrig um die Frage nach Gottes „Sein“ (quid sit Deus) und „Wesen“ (qualis sit)  mühen. (Calvin, Institutio I,2,2)

a priori / a posteriori

Die a priori Methode leitet die Eigenschaften von der Idee eines vollkommenen Wesens ab;

die a posteriori Methode nimmt den Ausgangspunkt in der göttlichen Selbstoffenbarung und sucht im Lichte dessen nach dem göttlichen Wesen.

Nicht kommuni-zierbare / kommunizierbare Eigenschaften

Keine Analogie in der Schöpfung

vs. Analogie im menschlichen Geist

Absolutes Wesen (absolute Being)

Frei von allen Bedingungen (selbst-existent) bezogen auf Unvollkommenheit oder phänomenologischen Unterschieden (Materie/Geist, Sein/Eigenschaften, Subjekt/Objekt, Erscheinung/Realität).

causa sui

Gott besteht aus sich selbst; der Ausdruck ist nicht präzise, weil Gott ja keinen Anfang bzw. keine Ursache hat.

actus purus

Gott, der stets handelt

archetypisch / ectypisch

urbildlich (Schöpfer)

abbildlich (Geschöpf)

summum bonum

das höchste Gute (Gott zugeschrieben)