Geplant, erlebt, verflogen
Wieder nähert sich ein Schuljahr mit Riesenschritten seinem Ende. Wie kommt dieses Gefühl von Riesenschritten zustande? Wir wollen jeden Tag nützen. So besteht jeder Riesenschritt aus einer dichten Folge von kleinen Schritten. Eh man es sich versieht, ist ein Morgen bzw. ein ganzer Tag, eine Woche oder ein Quartal verflogen. Die vielen Programmpunkte "ausser Plan" geben uns das Gefühl, besonders auf der Hut sein zu müssen, dass das ordentliche Programm mit Fleiss verfolgt wird.
Es ist unser sechstes offizielles Jahr, in dem wir Privatunterricht betreiben. Wie es damals anfing, habe ich hier beschrieben. Lernen beginnt jedoch nicht mit der Einschulung, endet auch nicht dann, wenn der Unterricht zu Ende geht. Lernen findet ständig statt (wie ich in diesem Interview mit Radio Life Channel ausgeführt habe).
Weshalb tun wir uns dies an? Diese Frage suchte ich hier zu beantworten. Jedes neue Jahr ist begleitet von Zweifeln (wie ich hier ausführte), der Rückblick geprägt von Dankbarkeit, dass die Kraft für die Zurüstung unserer Kinder vorhanden war. Kosten und Ertrag wollen wohl bedacht sein (hier zusammengefasst).
Was gleich geblieben ist
- Morgenstund' hat Gold im Mund: Spätestens um 08.00 Uhr ist offizieller Lernbeginn. Abgesehen von einer grossen Pause arbeiten die Jungs konzentriert an ihren Tageszielen. Das Vorgehen hat sich über die Jahre so eingespielt, dass es auch abläuft, wenn die Vorgaben nicht explizit von uns gesetzt sind.
- Je nach Begabungsschwerpunkt beginnt ein Kind mit mathematischen bzw. sprachlichen Fächern. Das bewusste Üben in den Schwächen ist Charakterbildung. Es gibt Zeiten, da läuft es flüssig, in anderen Zeiten harziger (hier habe ich ausgeführt, weshalb sich leicht falsche oder überzogene Erwartungen einschleichen können). Da werden Vorsätze gefasst und umgesetzt, dann wieder vergessen und nach einer Zeit in Erinnerung gerufen.
- Es ist nach wie vor unser Ziel, das Kind zur Selbständigkeit anzuleiten. Das heisst, in der Primarschulzeit besteht ein wesentliches Ziel darin, die Grundfertigkeiten einzuüben, die bei der kontinuierlichen Ausdehnung des Gebiets gebraucht werden. Die wichtigen Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen stehen im Vordergrund, aber auch die Gewohnheit der Aufmerksamkeit und der Konzentration.
- Nach wie vor fragen wir uns, wie wir unsere Kinder auf den nächsten Bildungsabschnitt vorbereiten können. Es stehen verschiedene Varianten offen. Diese habe ich hier einander gegenübergestellt. Für die Planung ist es wichtig, sich aus einem engen "entweder oder" zu befreien.
- Das Zurückfragen, was das Kind verstanden hat, macht einen wichtigen Teil der Lerninterventionen aus. Es gilt sorgfältig zuzuhören, was das Kind formuliert, wie es sich äussert, wie es wertet, was es betont, was es auslässt. Dies hilft, nächste Lernschritte zu planen. Hier habe ich beschrieben, wie eine Nacherzähl-Kultur aufgebaut werden kann.
- Wöchentliche Besuche bereichern das Lernen in der Familie. Vier Frauen verschiedenen Alters haben im vergangenen Jahr eine Vielzahl von Anregungen in unsere Familie gebracht. Wir sind begeistert, aus anderen Leben zu hören und zu lernen.
- Als Ausgleich zum Lernalltag pflegen unsere Kinder nachmittags verschiedene musische und sportliche Aktivitäten. Sie singen und musizieren, spielen Theater. Sie bewegen sich gerne. Das Anlegen und Pflegen eines kleinen Gartens trägt dazu bei, das Verantwortungsgefühl zu stärken.
Was sich geändert hat
- Je älter die Kinder werden, desto mehr entwickeln sie ihre eigene Persönlichkeit und ihren eigenen Stil. Das wirkt sich im Setzen von eigenen Schwerpunkten aus. Für uns Eltern heisst dies: Aushalten, dass die Resultate nicht so sind, wie sie sein könnten. Es gibt unterschiedliche Wege; manches kommt beim einen früher, beim anderen später. Manchmal denke ich gar: Vielleicht ist das eine oder andere Lernziel für den Betreffenden im späteren Leben gar nicht so relevant.
- Die Jüngeren kommen nach. Unser Vierter hat bereits mit dem Klavierspiel begonnen. Er hat in diesem Schuljahr solide lesen gelernt. Zudem ist er ein begeisterter Schreiber geworden. Er liebt es, sich Notizen in ein Heft zu machen. Obwohl es im Alltag nicht immer sicht- und greifbar ist: Die Jüngeren lernen bei den Älteren mit – vor allem bezüglich Arbeitshaltung und Vorgehen. Manchmal scheint es, als ob sie in ihrer eigenen (Spiel-)Welt lebten. Doch alles, was sie interessiert, nehmen sie auf.
- Die Anforderungen durch die musischen Aktivitäten steigen. Da gibt es Musiktheorie, Vorspielabende, Konzerte. Zusammengerechnet findet im Durchschnitt jede Woche ein solcher Anlass statt. Am liebsten begleiten wir den Buben als Familie und nehmen freudig an seiner Entwicklung teil.
- Die Älteren arbeiten vermehrt ohne vorgegebenes Detailprogramm. Es hat sich als hilfreich gezeigt, dass sie selbst Verantwortung für ihr Lernen übernehmen. Das bedeutet: Sich realistische Ziele setzen, Widerstände reflektieren, bei Unklarheiten nachfragen, sich gegenseitig unterstützen. Es obliegt uns Eltern, nachzufragen, einen abgerissenen (Lern-)Faden wieder aufzunehmen und die Erfahrungen mit dem Kind zu besprechen.
- Die Kinder gestalten nicht nur einzelne Lernsequenzen selbständig. Sie planen eigene Projekte wie Werkarbeiten oder einen Schreibwettbewerb. Sie nehmen Anschaffungen ins Auge und sorgen für den Unterhalt. Wenn wir selber nicht über das Wissen oder Können verfügen, überlegen wir zusammen, woher es kommen könnte.
- Die Gesamtlast nimmt zu – an Intensität und an der Zahl. Allerdings wächst auch die Kraft des Buben mit. Wir müssen gehörig aufpassen, dass wir als Eltern die Balance halten zwischen der Einführung in neue Gebiete und der Ermutigung dranzubleiben, ohne jedoch die Verantwortung für Weg und Ergebnis zu tragen. Dafür bleibt das Kind verantwortlich.
- Wir Eltern werden selbst trainiert. Die Erfahrungen der letzten sieben Jahre haben uns geschliffen. Ich bemerke bei meiner Frau, dass sie sowohl methodisch wie inhaltlich topfit ist. Wir wachsen mit den Anforderungen mit.
Drei Grundsatztexte
Hier geht es zu weiteren Grundlagentexten: