Kurzvortrag von Jochen Klautke anlässlich meines 40. Geburtstags
Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man niemals anfängt zu leben.
Dieser Satz stammt von dem römischen Kaiser Mark Aurel. Er handelt von einer Sehnsucht nach Leben. Aber eben nicht nach einer bloßen Existenz, für die dann der Tod das sachliche Ende darstellt. Sondern von einem Leben, das nicht nur im Gegensatz zum Tod steht, sondern auch im Gegensatz zum Existieren. Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man niemals anfängt zum Leben. Laut Mark Aurel kann man also leben und doch nicht leben.
Jeder Mensch weiß das. Deswegen geben sich die Menschen seit Menschengedenken nicht damit zufrieden zu existieren. Sie suchen das wahre Leben, nehmen Anstrengungen auf sich, geben enorm viel Geld aus und verzichten auf manches – nur um dieses wahre Leben zu finden. Ein Leben, das erfüllt ist, das einen Sinn hat, das glücklich macht.
Aber wo findet man wahres Leben?
Stellen wir uns einmal folgendes Szenario vor. Wir erfahren eines Tages, dass wir nur noch einen Tag zu leben haben. Ein letztes Mal dürfen wir uns treffen mit unsere Familie und unserem engsten Freundeskreis. Was würden wir sagen?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner von uns über das Wetter reden würde. Es bleibt nicht viel Zeit. Deswegen sagen wir nur das, was wirklich wichtig ist. So war es auch bei Mose. Am Ende seines Lebens stellte er sich ein letztes Mal vor das Volk Israel und hielt eine letzte Rede. Über das Ende dieser Rede lesen wir Folgendes:
Und als Mose dies alles zu ganz Israel geredet hatte, da sprach er zu ihnen: Nehmt zu Herzen alle Worte, die ich euch heute bezeuge, damit ihr sie euren Kindern gebietet, dass sie darauf achten, alle Worte dieses Gesetzes zu befolgen. Denn es ist kein leeres Wort für euch, sondern es ist euer Leben. (5. Mose 32,45-47a)
Es ist kein leeres Wort sondern es ist euer Leben
Leben, wahres Leben, ein Leben das über den Tod hinausgeht, das findet man nur in diesem Wort. Das ist das, was Mose hier sagt. Damals bestand es nur aus einem Bruchteil von dem, was wir heute haben. Aber es war bereits dasselbe Wort.
Wenn wir das lesen: Es ist kein leeres Wort, sondern es ist dein Leben, dann können wir festhalten, dass der Vers aus zwei Teilen besteht. Einem negativen, der dem Volk damals und uns heute eine Warnung sein sollte, dass Wort Gottes nicht wie ein leeres Wort zu behandeln. Und einem positiven zweiten Teil, der uns eine wunderbare Ermutigung und Verheißung gibt. Dieses Wort ist unser Leben. Es ist das Mittel durch das wir das wahre Leben finden können.
Wie bin ich auf diese Bibelstelle und dieses Thema gekommen? Als ich Hanniel gefragt habe, worüber ich an seinem 40. Geburtstag reden soll, hat er zu mir gesagt: Ich fände es gut, wenn du darüber redest, welchen Stellenwert junge Leute heute der Heiligen Schrift geben sollten.
Es passt zu deinem Dienst, dass du dir dieses Thema gewünscht hast. Es kommen in diesem Wunsch zwei Dinge zum Ausdruck, die du in deinem Dienst für mich so vorbildlich verbindest. Zum einen deine Liebe zu Gott und zu seinem Wort. Viele Theologen haben in ihrem Leben viel studiert und sind unglaublich schlau geworden, aber sie haben darüber den Glauben an das Wort Gottes und die Liebe zu Ihm verloren. Du verbindest dein nicht gerade geringes theologisches Wissen mit einem tiefen Vertrauen in die Wahrheit des Wortes Gottes. All das geht in deinem Dienst zusammen mit einem Herzensanliegen für die Gemeinden. Das, was du weißt und glaubst, möchtest du weiter geben, ganz besonders an die junge Generation.
Zurück zu dem Thema, das Hanniel sich gewünscht hat. Zurück zu dem Wort Gottes, das nicht leer ist sondern das unser Leben ist.
Zunächst werde ich drei Gefahren nennen, mit denen wir heute konfrontiert werden und die uns dazu bewegen, dieses Wort wie ein leeres Wort zu behandeln. Das ist der negative Teil, wenn man so will.
Anschließend werde ich auf die Tatsache zu sprechen kommen, dass dieses Wort unser Leben ist. Auch hier werde ich drei Dinge ansprechen, wie wir das praktisch leben sollen. Der positive Teil.
Teil 3 wird sich abschließend mit der Frage beschäftigen, warum dieses Wort unser Leben ist.
Teil 1: Es ist kein leeres Wort für euch…
Ich bin davon überzeugt, dass wir heute auf drei Ebenen in der Gefahr stehen, dieses Wort als leeres Wort zu behandeln.
Die erste Gefahr ist, dass wir dieses Wort geradeheraus kritisieren. Es ist die Form der Kritik, die uns von der säkularen Gesellschaft aber auch von Theologen namentlich an staatlichen Universitäten und Fakultäten vorgehalten wird. Das Credo dieser Form von Kritik lauten: Die Bibel hat in wesentlichen Aussagen unrecht, weil…
Darauf folgen dann verschiedene Gründe warum die Bibel Unrecht hat bzw. unwahr ist. Sie enthalte beispielsweise Aussagen der menschlichen Vernunft widersprechen. Oder sie behaupte Dinge die von verschiedenen Wissenschaften wie der Biologie, der Geologie, der Psychologie oder der Archäologie widerlegt worden seien.
Die zweite Gefahr ist wesentlich subtiler. Es ist die „fromme“ Form der Kritik. Zu sagen, dass verschiedene Aussagen der Bibel nicht wahr sind – das kann man so platt im freikirchlichen und pietistischen Lager nicht sagen.
Vor diesem Hintergrund ist gerade in den letzten Jahren ist unter der eigentlich Konservativen eine subtile Form der Kritik entstanden. Sie funktioniert in etwa folgendermaßen:
Die Bibel sagt zum Thema XY zwar das und das. Aber man muss das in der damaligen geschichtlichen Situation verstehen. Außerdem macht der Zusammenhang des biblischen Buches klar, dass die damalige Kultur ganz speziell war und mit unserer nicht vergleichbar ist. Und sowieso hat ja Jesus persönlich sich nie zu diesem Thema geäußert. Jesus war stattdessen für Liebe. Aus diesen Gründen ist Aussage XY im Prinzip für uns heute nicht mehr gültig.
Ich verkürze und überspitze jetzt sicherlich. Aber bei vielen Diskussionen der vergangenen Jahre findet sich immer wieder dieses Argumentationsmuster – leider vor allem in der evangelikalen Szene.
Die dritte Gefahr ist eine Herausforderung gerade für Leute, die von sich sagen, dass sie die ersten beiden Herausforderungen gut im Griff haben. Sie bekennen klar, dass die Bibel kein leeres Wort ist. Sie bekennen auch, dass die Bibel ihr Leben ist. Und doch behandeln sie die Bibel im Alltag ganz anders. Wenn sie von der Bibel reden, dann eher selten. Die lehrmäßigen Aussagen der Bibel haben nur oberflächlich Einfluss auf ihr Gottesbild und ihre Weltsicht. Die Gebote der Bibel nur wenig Auswirkung auf ihr Leben.
Es besteht also die Gefahr, die Bibel als wahr zu bekennen, aber sie so zu behandeln als wäre sie es nicht.
Ich möchte es mal bei diesen drei Gefahren belassen. Drei Gefahren, vor denen alle sich hüten müssen, die Jesus von ganzem Herzen nachfolgen wollen. Erstens die Gefahr aus wissenschaftlichen oder Vernunftgründen Teile der Bibel oder gar die ganze Bibel zu verwerfen. Zweitens die Gefahr durch Überbetonung des geschichtlichen, kulturellen oder literarischen Kontextes wichtige Aussagen der Bibel zu relativieren. Und drittens durch die gelebte Einstellung zur Bibel sie in der Praxis für unwahr und leer zu erklären.
Teil 2 …sondern es ist euer Leben!
Wir wollen nicht beim Negativen stehen bleiben. Ganz im Gegenteil. Das Negative zu vermeiden, kann nur ein erster Schritt sein. Viel wichtiger ist es, dass wir den zweiten Teil der Aufforderung des Mose hochhalten. Das Wort Gottes ist unser Leben. Was bedeutet das? Auch hier möchte ich wieder drei Aspekte nennen.
Zunächst einmal bedeutet das, dass wir vor der Herausforderung stehen, das Wort Gottes als wahr zu bekennen. Es ist unser Leben weil uns nichts anderes den Weg zum Leben zeigen kann. Menschliche Schreiber haben die Bibel vom Heiligen Geist geleitet geschrieben, sagt Petrus. Gottes Geist hat sie eingehaucht, sagt Paulus. Deswegen ist die Bibel vollkommen wahr, unfehlbar und irrtumslos. Deswegen ist sie Gottes Wort. Und deswegen ist sie unser Leben.
Das gilt es zu bekennen, wenn die säkularen Gelehrten und liberalen Theologen kommen und Teile der Bibel leugnen. Nicht Vernunft und Wissenschaft erklären die Bibel, sondern biblisches Denken bietet überhaupt erst den Rahmen für vernünftiges Denken und wissenschaftliches Arbeiten. Dieser Aufruf zum Bekennen gilt auch dann, wenn die scheinbar Frommen mit den tollsten Argumenten kommen und ethische Maßstäbe der Bibel für ungültig erklären.
Zweitens bedeutet es, das Wort Gottes als das lebensschaffende zu verwenden. Paulus schreibt, dass der Glaube aus der Predigt kommt, die Predigt aus dem Wort Gottes. Das Wort schafft Glauben. Petrus formuliert es so: Wir sind wiedergeboren (also Christen geworden) durch das Wort der Wahrheit. Es ist durchaus möglich, das Wort als wahr zu bekennen, aber nicht an seine Kraft zu glauben. Deswegen gilt der zweite Auftrag an jeden Christen, aber vor allem an die Gemeinden: Benutzt das lebensschaffende Wort, wenn ihr wollt, dass Menschen das wahre Leben finden. Andere Methoden werden vielleicht kurzfristigen Erfolg bringen, schneller gehen und nach weltlichen Maßstäben besser aussehen. Langfristig hat uns Gott ein Mittel zur Verfügung gestellt, wodurch er Leben schaffen will: sein Wort.
Drittens: Lebe so, dass andere sehen. Der oder diejenige glaubt tatsächlich, dass die Bibel wahr ist. Dieser Punkt ist das positive Gegenstück zu meinem dritten Punkt im ersten Teil und in gewissem Sinn eine Erweiterung über das was ich eben über das Wort als lebensschaffend gesagt habe.
Spiegeln unsere Predigten, unsere Evangelisation, unser Verhalten gegenüber Freuenden, Ehepartnern, Kindern, Arbeitskollegen unseren Glauben an das lebendige Wort Gottes wieder? Oder glauben wir, dass die Bibel im Prinzip für sonntags ist und höchstens dreieinhalb von den vielen Geboten vielleicht dann auch für unseren Alltag relevant sind.
Das Wort Gottes ist für das ganze Leben relevant, weil es unser Leben ist. Es hat uns etwas zu sagen für alle Bereiche unseres Lebens.
Jakobus schreibt:
Seid aber Täter des Wortes und nicht bloß Hörer, die sich selbst betrügen. Denn wer [nur] Hörer des Wortes ist und nicht Täter, der gleicht einem Mann, der sein natürliches Angesicht im Spiegel anschaut; er betrachtet sich und läuft davon und hat bald vergessen, wie er gestaltet war. Wer aber hineinschaut in das vollkommene Gesetz der Freiheit und darin bleibt, dieser [Mensch], der kein vergesslicher Hörer, sondern ein wirklicher Täter ist, er wird glückselig sein in seinem Tun. (Jakobus 1,22-25)
Es gibt also drei Herausforderungen: Bekenne das Wort Gottes als das Leben. Benutze das Wort Gottes als das Lebensschaffende. Lebe so, dass deutlich wird: Das Wort Gottes gilt für dein gesamtes Leben.
Teil 3 Warum ist dieses Wort unser Leben?
Das ist die Frage, die wir zum Schluss beantworten wollen. Eine Antwort hatten wir bereits. Es ist unser Leben, weil es Leben schafft. Aber es gibt noch eine Antwort. Es ist unser Leben, weil es uns den Weg zum Leben zeigt. Und dieser Weg ist eine Person: Jesus Christus, der Sohn Gottes.
Es gibt ja immer Versuche Jesus und das Wort Gottes zu trennen. Heute hört sich das in vielen Kirchen so an: Ich glaube nicht an die Bibel, ich glaube an Jesus – Jesus statt Bibel. Als Jesus auf der Erde war, machten die Juden es genau anders herum. Wir glauben nicht an Jesus, sondern an die Bibel: Bibel statt Jesus.
Aber man kann in keine der beiden Richtungen Jesus und die Bibel voneinander trennen. Jesus sagt zu den Juden, die das versuchten (Johannes 5,39):
Ihr erforscht die Schriften (also die Bibel), weil ihr meint, in ihnen das ewige Leben zu haben; und sie sind es, die von mir Zeugnis geben.
Die Bibel ist unser Leben, weil sie uns das menschgewordene Leben zeigt und erklärt. Denn, auch wenn die Bibel viele Aufforderungen erhält, ist sie kein Regelkatalog. Im Kern ist sie eine Liebesgeschichte von dem Gott, der sein Volk so sehr liebt, dass er seinen einzigen Sohn auf die Erde schickt. Dieses Volk, das sind Menschen wie du und ich, die jeden Tag ihres Lebens dem Tod einen Tag näher kommen. Dieser Sohn ist das Leben selbst, aber er gab sich in den Tod, damit wir das Leben finden. Davon handelt dieses Wort. Deswegen ist es nicht leer. Deswegen ist es unser Leben.