Vortrag: Drei Formen des Gesetzes der Sünde

Kurzvortrag von Beat Tanner anlässlich meines 40. Geburtstags

Regiert vom Gesetz der Sünde

In Galater 4,21 fragt Paulus: „Hört ihr das Gesetz nicht?“ Was ist mit diesem Gesetz gemeint? Geht es um die Zehn Gebote, um staatliche Regeln oder familiäre Normen? In Römer 7,23 spricht Paulus vom „Gesetz der Sünde“, das uns gefangen nehmen will. Es ist das Gesetz, dem Israel in Ägypten gehorchen musste.

Damals ging es darum, eine grosse Menge von Ziegelsteinen zu brennen. Für eine Pyramide wurden 2,54 Mia. Ziegelsteine benötigt. Die Anforderung war so hoch angesetzt, dass sie nicht erreicht werden konnte. Die Israeliten wurden deshalb angetrieben und bei Nichterreichen der Ziele bestraft. Im „Reich der Finsternis“ (vgl. Kolosser 1,13) muss den Forderungen dieses Gesetzes gehorcht werden. Es ist wie bei einem Süchtigen, der nach der nächsten Dosis Betäubung giert (Versprechen), um sich erneut in einen Kreislauf des Elends hinein zu begeben.

Wie die Israeliten aus dieser Knechtschaft erlöst worden sind durch das Blut eines Lammes, so sind wir von den Forderungen dieses Gesetzes der Sünde erlöst durch den stellvertretenden Tod von Gottes Sohn. Wer stirbt, ist frei von den Forderungen des Gesetzes der Sünde (vgl. Römer 7,2).

Drei Formen dieses Gesetzes der Sünde

Die tröstliche Botschaft, dass wir vom Gesetz der Sünde erlöst sind, muss gepaart sein von der Einsicht, wie dieses Gesetz in unserem Alltag aussehen kann. Es kommt ganz unverdächtig daher in Form von Erwartungen, Vorstellungen und Wünschen. Wir können drei konkrete Ausprägungen ausmachen:

  1. Perfektionismus: Ich erfülle meine eigenen Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen nicht. „Unter einer Sechs geht nichts.“ „Ich muss der Beste in der Mannschaft sein.“ „Ich muss diese Arbeit unbedingt beenden, auch wenn es drei Uhr morgens wird.“ Häufig entwickelt sich daraus eine Angst vor Versagen oder Zorn, der sich an anderen entlädt, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden können.

  2. Menschenfurcht: Die Angst, den Erwartungen anderer nicht zu genügen, ist kein Kavaliersdelikt! Saul ist uns ein warnendes Beispiel. Sein Ungehorsam gegenüber Gottes Gebot war durch die Furcht vor seinem Volk begründet. Selbst nach der Konfrontation durch Samuel war es ihm am wichtigsten, dass er durch den Propheten „vor dem Volk geehrt“ wurde (1. Samuel 15,24+30). Menschenfurcht bringt zu Fall. Wir sollen den Nächsten lieben, aber uns nicht fürchten vor dem, was die anderen über uns denken.

  3. Stolz: Die anderen müssen meinen Erwartungen entsprechen. Zum Beispiel: Wenn ich etwas tue, fordere ich die positive Resonanz der anderen für meine Leistung ein. Oder: Ich erzeuge Druck gegenüber mir anvertrauten Menschen (z. B. Erpressen eines braven Verhaltens). Dies kann auch in unserer Beziehung zu Gott geschehen: Wir erwarten von ihm, dass er als Bedürfnisstiller „funktioniert“.

Der Blick auf Christus

Das Erkennen, dass wir unter einer oder mehreren Formen dieses Gesetzes leiden bzw. uns versklaven – obwohl wir eigentlich frei wären -, ist ein wichtiger Schritt in die Freiheit. Ich gestehe ein: Meine Erwartungen versklaven mich! Das Erkennen des Gesetzes im Alltag lässt uns bei dem um Hilfe schreien, der die Erlösung sichergestellt hat: Christus. Er leitet uns an, in Gottesfurcht (dem Bewusstsein, dass wir zuerst ihm Rechenschaft schuldig sind) und Demut (einer realistischen Einschätzung unserer selbst) zu leben.