Meine Frau schickte mich auf die Pirsch, um im Buchantiquariat nach Lebensberichten Ausschau zu halten, die sie in nächster Zeit den Kinder vorlesen könnte. Dabei kam mir der Band "Mütter von Männern: 25 Söhne erinnern sich" in die Hände. Ich packte ihn kurzentschlossen ein.
Der Evangelist Jörg Swoboda (* 1947) bat 25 Männer, deren Leben a) vom christlichen Glauben geprägt, b) andere Menschen beeinflusst und c) beruflich mit Theologie und Gemeindedienst verbunden ist, etwas über ihre Mütter zu schreiben. Durch den Geburtsort (Deutschland) und den Geburtszeitpunkt (zwischen 1930 und 1960) gibt zwei weitere Gemeinsamkeiten: Die Mütter sind durch Kriegswirren gegangen. Sie haben über Jahre oder dauerhaft ohne ihre Männer auskommen müssen. Die meisten Söhne haben als Kinder oder Jugendliche die drastischen Einschränkungen nach dem Krieg am eigenen Leib erfahren.
Mich interessierte insbesondere, was auf die lange Frist bei den Söhnen über ihre Mütter in Erinnerung blieb. Was prägte ihr Mutterbild in vorgerücktem Alter? Vier Dinge stechen heraus.
An erster Stelle ist das geistliche Leben der Mütter zu nennen. Die Söhne betonen: Die Vorbildwirkung der Mütter bestand nicht in häufigen Vorträgen, sondern durch ihre Taten. Sie beteten in guten und in schlechten Zeiten, für ihre Söhne und für andere Menschen. Sie lasen selbstverständlich ihre Bibel. Am meisten beeintruckt hat mir ihre Treue, mit der sie mit anderen Christen Gemeinschaft pflegten. Sie besuchten treu Gottesdienste und Gemeinschaftsstunden.
Zweitens ist die grosse Tatkraft zu erwähnen. Von frühmorgens bis spätabends setzten sich die Mütter für die Familie ein. Die meisten der portraitierten Männer sind in Grossfamilien aufgewachsen. Lebensmittel beschaffen und zubereiten, Berge von Wäsche reinigen und aufbügeln, Kleider zuschneidern und flicken, die Wohnung wohnlich machen und erhalten. Dabei haben diese Frauen ihre eigenen Wünsche und ihren Komfort zurückgesteckt. Die Männer betonen: Sie haben dies freudig getan.
An dritter Stelle steht die Unterstützung der Söhne im charakterlichen und beruflichen Fortkommen. Obwohl der Gürtel oft eng geschnallt werden musste, wurden Musik- und Nachhilfestunden ermöglicht. Die Mütter waren interessiert am schulischen und später am beruflichen Fortkommen.
Viertens ist die Hilfsbereitschaft nach aussen und die Gastfreundschaft zu nennen. Während und nach dem Krieg wurden Menschen versteckt, Geächtete mit Nahrung versorgt, Gäste aufgenommen.
An separater Stelle ist der Gesang zu erwähnen. Es fiel mir auf, dass diese Mütter viele geistliche Lieder auswendig kannten. Ebenso lernten sie Bibeltexte auswendig. Von diesem Schatz zehrten sie bis ins hohe Alter.
Leise stieg in mir die Frage auf: Was ist der Unterschied, wenn die Mutter ihre Söhne von klein auf in einer Betreuungseinrichtung abgibt? Wo bleibt die Zeit zur Charakterbildung? Wann lernen die Söhne von ihren Müttern, wie man ein geistliches Leben führen kann? Wo lernen sie den Wert von Gastfreundschaft kennen?