Buchbesprechung: Die Suche nach Wahrheit

Nancy Pearcey. Finding Truth: 5 Principles for Unmasking Atheism, Secularism, and Other God Substitutes. David C. Cook, 2015. 388 Seiten. 13 Euro (Kindle-Version).

Ein Anschlussbuch

Im Interview mit Trevin Wax erklärt die Autorin, wie dieses Buch an „Total Truth“ anschliesst. Im Bestseller von 2004 legte sie dar, was es bedeutet, dass die christliche Weltsicht nicht nur auf den religiösen Bereich, sondern auf das gesamte Leben angewendet werden muss. „Finding Truth“ gibt dem Leser konkrete Instrumente an die Hand, dies umzusetzen. Auf welche Weise? Das Buch basiert auf einer fünfteiligen Strategie , die dazu ausrüsten soll, zum Kern jeder Weltsicht vorzudringen und ihre Aussagen abzuwägen. Während in anderen Büchern der Schwerpunkt eher auf der Präsenz Gottes in der Natur lag, konzentriert sich Pearcey im vorliegenden Werk auf die menschliche Natur (28).

Zielgruppe und biblische Grundlage

Das Buch für junge Menschen geschrieben, die ihre Fragen zu beantworten suchen, überdies für Suchende jeden Alters. Pearcey betont, in welch komplexen "Netz" einander widersprechender Weltsichten sich Heranwachsende bewegen müssen. Dies will ernst genommen sein! Die biblische Verankerung findet sich in Römer 1 – ein Abschnitt, den die Autorin als das “apologetische Trainingshandbuch” des Apostels Paulus bezeichnet (24). In der Besprechung des Bibeltextes arbeitet sie fünf Aussagen heraus:

  1. Wir Menschen haben Zugang zu Beweisen für Gott durch die Schöpfung.

  2. Wir alle unterdrücken diese Beweise.

  3. Wir erschaffen uns Götzen an Gottes Stelle.

  4. Gott gibt uns den Konsequenzen unserer Götzen hin, nämlich einem „verkehrten Sinn“ und

  5. einem entehrenden Verhalten.

Die 5-Schritte-Strategie

Pearcey baut das gesamte Buch um die beispielhafte Darlegung der Fünf-Schritte-Strategie herum auf. Die einzelnen Schritte lauten:

1. Identifiziere den Götzen. Zu einem Götzen kann all das werden, auf das wir grösseres Vertrauen als auf Gott setzen bzw. von dem wir tiefere Erfüllung als von ihm erwarten (36). Das können Personen, die Natur, materielle Gegenstände oder auch Ideen sein. Götzendienst ist ein nicht sichtbarer Treiber für alle anderen Sünden. Paulus macht klar, dass alle, die den transzendenten Gott nicht ehren, einen Ersatzgott in Form einer Kraft oder eines Prinzips innerhalb des Kosmos suchen müssen (42).

2. Identifiziere den Reduktionismus dieses Götzen. Wenn ein Teil der Schöpfung absolut gesetzt wird, muss sich alles nach diesem Teilaspekt richten. Götzendienst führt deshalb zwingend zu einer herabgesetzten Sicht des menschlichen Lebens.

3. Teste den Götzen: Widerspricht er dem Wissen, das wir über die Welt haben? An bestimmten Stellen widerspricht jeder Götze der Wirklichkeit!

4. Teste den Götzen: Widerspricht er sich selbst? Götzen-zentrierte Weltsichten kollidieren nicht nur mit der externen Wirklichkeit. Sie brechen in sich zusammen, weil sie widersprüchlich sind.

5. Ersetze den Götzen: Entwirf ein Szenario für das Christentum!

Einige Kern-Überlegungen

Die Geschichte der Menschen ist eine Geschichte der Götzenfabrikation. Götzen sind menschliche Erfindungen, das Werk menschlicher Hände (Ps 115,4; 135,15; Jes 44,11). Es ist, als ob die Menschen mit einer Karte leben würden, auf der nur ein Teil der Wirklichkeit eingezeichnet ist.

Wenn sich jemand auf eine bestimmte Sicht der Realität verpflichtet hat, wird diese zur Letzterklärung für alles (63). Es gibt deshalb ein gemeinsames Merkmal für alle Weltsichten: Sie anerkennen etwas als “göttlich”, also aus sich selbst existierend und als Ursprung für alles andere. Damit wird ein Teil der Schöpfung anstelle des Schöpfers Identitäts-stiftend (98).

Mit diesem Reduktionismus zu leben bedeutet, auch den Menschen nur noch unter Teilaspekten zu sehen und ihn dementsprechend zu behandeln. Wer Menschen in seinem Denken „ent-menschlicht“, neigt dazu, ihn zu misshandeln, zu unterdrücken oder auszubeuten.

Die Unterdrückung eines Teils von Gottes Realität für zu einem tiefen Graben und einer Zweiteilung des Lebens, manchmal im Denken, jedoch zwingend in der Wirklichkeit. Ein Teil der Erfahrung, die mit der Wirklichkeit kollidiert, muss ausgeblendet werden. Das Ziel jeder Philosophie müsste jedoch darin bestehen, die Fakten der Erfahrung zu erklären anstatt sie zu leugnen.

Immer dann, wenn Götzen-zentrierte Weltsichten im politischen Bereich zur Umsetzung kommen, wird ein Teil der Menschen den neu geschaffenen Vorgaben nicht entsprechen und deshalb unterdrückt werden.

Das Leben mit einer reduktionistischen Weltsicht verzichtet auf einen Teil der Gott geschaffenen Wirklichkeit. Ein solches Leben kann mit dem Aufenthalt in einem Bunker ohne Fenster verglichen werden. Das führt zu einer Art „mentaler Schizophrenie“.

Der christliche Glaube stillt den menschlichen Hunger nach einer einheitlichen, integrierten Weltsicht. Er besitzt in sich die intellektuelle Kraft, um ein ganzheitliches, auch nach innen konsistentes Leben zu führen. Wie können wir dies am besten testen? Wenn es im  „Laboratorium des normalen Lebens“ besteht. Wir müssen keinen Aspekt der Wirklichkeit ausschliessen und ihn in einen konzeptionell von der Realität abgelösten Raum verbannen.

Definition und Beurteilung einzelner Weltsichten

Pearcey kommt in der Beschreibung der einzelnen Schritte immer wieder auf einzelne Weltsichten zu sprechen und definiert sie prägnant.

  • Wissenschaftlicher Materialismus: Der Kosmos ist alles, was je war, ist oder sein wird. Die Fakten, die durch den Materialismus unterdrückt werden, entsprechen eben den Dingen, welchen den Menschen am meisten beschäftigen: Den Bereich bewusster Erfahrung.Pantheismus: Die Welt ist keine Maschine, sie ist lebendig. Gott ist nicht so sehr ihr Schöpfer als ihre Seele und ihr Leben. Der absolute Geist aus dem Hegel’schen Pantheismus wurde im Lauf der Zeit säkularisiert und als "Zeitgeist" auf eine Metapher reduziert. In unserer Zeit führt dies zur extremen Schlussfolgerung, dass sämtliche Ideen nur soziale Konstruktionen, getrieben durch kulturelle Kräfte, darstellen.Der Materialismus behauptet, dass alles aus Materie bestehe, der Pantheismus nimmt an, dass alles aus Geistigem hervorgegangen ist. Jedes System, das von nicht-persönlichen Kräften ausgeht, endet jedoch damit, die menschliche Persönlichkeit zu unterdrücken

  • Empirismus: Wir können uns nur auf empirische Fakten verlassen, also das, was wir sehen, fühlen, messen und wägen. Alles andere wird in den Bereich persönlicher Meinung oder Präferenz zurück verwiesen. Empirismus macht einen Götzen aus dem Bereich der menschlicher Wahrnehmung. Der Rationalismus hingegen erklärt Ideen des Geistes, erkannt durch den Verstand, zur einzigen Quelle und zum Standard von Erkenntnis. Beide Weltsichten küren den Standpunkt der ersten Person (dem Ich) als einzigen Weg zur Erkenntnis. Das Selbst ist Sitz und Richter von Erkenntnis. Beide hoffen, eine Methode gefunden zu haben, um das Individuelle zu transzendieren und von einer eingegrenzten Nische zum absoluten, gottähnlichen Wissen durchzudringen.

  • Im Postmodernismus ist das Selbst bloss der Sitz für wechselnde Sichtweisen. Es wird von der Interpretation wechselnder Gemeinschaften absorbiert. Weil es keine objektive bzw. universelle Wahrheit gibt, wird jede Behauptung einer solchen Wahrheit als Versuch gewertet, die Sichtweise einer interpretierenden Gemeinschaft dem anderen überzustülpen.

Fazit

Der biblische Gott erweist sich als ausreichender Integrationspunkt für die Wirklichkeit (181). Pearcey rüstet uns mit einer Art von konstruktiv-kritischem Denken aus, das auch innerhalb der christlichen Gemeinde von enormer Wichtigkeit ist (52). Die meisten Philosophien sind nämlich dadurch entstanden, dass jemand über einige nicht zu leugnende Fakten gestolpert ist und diese zur letzten, unfehlbaren Grundlage aller Erkenntnis erklärt hat (80).

Pearcey strahlt durch das Buch die Zuversicht aus, dass das Christentum alle konkurrierenden Weltsichten überflügelt, weil es die höchsten Hoffnungen und Ideale des Menschen erfüllt. Dies führt jedoch nicht zu einer herablassenden, sondern im Gegenteil zu einer respektvollen Haltung, die wahre Bestandteile anderer Sichtweisen stets wertschätzt (94). Allerdings gilt es, von einer privatisierten Religion Abschied zu nehmen und zu einem Gott zurückzukehren, der sich zu erkennen gibt und dessen Gesetz der Wirklichkeit standhält.