Buchbesprechung: Wie soll ich in dieser Welt leben?

R. C. Sproul. How Should I Live in This World?: 5 (Crucial Questions Series). Reformation Trust Publishing, 1998. 99 Seiten. Kostenloser Download.

Die Spannung liess auch beim Lesen dieses Bandes von “Crucial Questions Series” nicht nach. Wie würde Sproul es schaffen, auf wenigen Seiten die Grundzüge einer christlichen Ethik zu skizzieren? Immerhin gibt es dazu zig verschiedene Ansätze auf dem säkularen, aber auch auf dem christlichen „Markt“.

Struktur

Sproul teilt seine Überlegungen in drei Schritte auf. Zuerst zeigt er kurz auf, wie die Gesellschaft mit ethischen Fragestellungen umgeht; über diese Beschreibung legt er dann den „Filter“ des Wortes Gottes. Drittens wendet er diesen Filter auf verschiedene moderne Dilemmatas an.

Wichtige Aussagen

  • Unsere moralischen Handlungen werden von Überlegungen gesteuert. Wir mögen nicht in der Lage sein, diese zu artikulieren, ja oft sind wir uns dieser oft nicht einmal bewusst. Trotzdem steht fest, dass unser Wertesystem unsere Handlungen steuert bzw. es zum Vorschein bringt.
  • Die säkulare Ethik funktioniert nach folgendem Modell: Bedingung A – das “Normale” ist durch Statistik determiniert; Bedingung B – das Normale ist menschlich und gut; Schlussfolgerung – das Abnormale ist unmenschlich und schlecht.
  • Es gibt eine besondere Schwierigkeit im Bereich der Ethik: Der modern Mensch sieht Autonomie als “noble und virtuose Erklärung menschlicher Kreativität” an. Aus biblischer Weltsicht ist jedoch gerade das eigenwillige Sich-Entfernen von Gottes Herrschaftsanspruch die eigentliche Verirrung. Die Unabhängigkeitserklärung der Schöpfung gegenüber dem Schöpfer ist Sünde.
  • Gegen das göttliche Gesetz zu sündigen heisst gegen den Gesetzgeber zu sündigen.
  • Manche Ratsuchende in der Seelsorge kommen nicht, um die Wegweisung Gottes zu suchen, sondern um die Erlaubnis zu erhalten, das zu tun, was sie wollen bzw. zu sündigen.
  • Wer Gottes Anordnungen vom prinzipiellen Anliegen für Menschen ablöst, fällt in den Abgrund der Gesetzlichkeit. Christliche Ethik basiert auf dem Gehorsam von Menschen gegenüber dem persönlichen Gott!
  • Die erste Bedingung einer Handlung: Sie muss äusserlich den Anforderungen des göttlichen Gesetzes entsprechen. Zweitens muss die Motivation von einem Herzen kommen, das auf die Herrlichkeit Gottes ausgerichtet ist. Gesetzlichkeit gibt sich mit dem ersten Kriterium zufrieden und bleibt blind gegenüber dem zweiten.

Aussagen zu Einzelthemen

Geld/Eigentum

  • Die Heiligkeit der Arbeit ist die Basis für Privateigentum.
  • Gott verurteilt Wohlstand nicht, sondern legitimiert die Weitergabe von Generation zu Generation durch Vererben.
  • Es ist einfach für den Reichen seine Prioritäten durcheinander zu bringen. Das gleiche gilt aber auch für den Armen.

Wirtschaftssysteme

  • Gott kümmert sich um den menschlichen Körper wie auch um die Seele. Deshalb wird Produktion ein wichtiges ethisches Anliegen für Christen.
  • Gewinn ist die wichtigste Voraussetzung zur Generierung von Kapital. Mit diesem können Werkzeuge gekauft werden, um die Produktion zu erhöhen und damit den Wohlstand einer Nation.
  • Jede Person ist zu einem gewissen Grad von den Begabungen und Produkten anderer abhängig.

Todesstrafe

  • Jede Studie zur Todesstrafe muss mit dem Verständnis der primären Funktion einer Regierung, wie sie von Gott eingerichtet ist, beginnen.
  • Gott hat der Regierung zwei grundsätzliche Rechte verliehen: Das Recht Steuern einzuziehen und das Recht Zwang auszuüben, um Ordnung und Gerechtigkeit aufrecht zu erhalten.
  • Die Macht des Zwangs ist die Essenz der Regierung.
  • Die Todesstrafe für Mord ist in die Schöpfung eingebaut und so lange bindend, wie die Schöpfung intakt bleibt.
  • Die Ausübung von Gerechtigkeit wurde im Neuen Testament aus den Händen der Theokratie genommen und dem säkularen Staat übergeben.
  • Der Pazifist überträgt Anordnungen aus dem Bereich der Kirche in den Bereich des Staates.

Abtreibung

  • Keine AT- oder NT-Stelle verurteilt die Abtreibung explizit. Exegetisch bewegt sich die Debatte auf implizitem Terrain.
  • (2. Mose 21,22) Maximum-Sicht: Mutter und Kind; Minimum-Sicht: Betrifft nur die Mutter.
  • Die Beweislast steht bei denen, die potenzielles Leben zerstören wollen.

Gelernt

Ethik definiert, was Menschen tun sollten; Moral beschreibt den Ist-Zustand. Der Unterschied: Das eine ist beschreibend, das andere „normal“.

Wer in der göttlichen Offenbarung Zuflucht nimmt, geht ein Risiko ein! Die Feindschaft des menschlichen Herzens gegenüber Gottes Herrschaft lässt einen Konflikt zwischen göttlichen Anordnungen und menschlichen Wünschen entstehen.

Fazit

Sproul arbeitet mit mehreren einfachen Modellen (von denen ich nur eines erwähnte). Das erleichterte mir das Lesen. Die Besprechungen der Einzelfragen sind interessant. Insgesamt fehlte mir jedoch eine detailliertere biblische Herleitung. Das mag aber ein zu hoher Anspruch an eine solche Einführung sein.