Als Vater lerne ich viel von meinen Kindern. Sie sind mir ein Gegenüber. Ich stehe zwar in der Rolle eines funktionalen Vorgesetzten. Von Gott bin ich mit dieser Aufgabe bedacht worden. Doch ich bin gleichzeitig ein Kind meines himmlischen Vaters. Als solcher stehe ich mit ihnen vor dem, der der uns alle gemacht hat. Was durfte ich dieses Jahr von meinen Kindern lernen?
Noch eine Frage mehr, als ich korrekterweise stellen würde: Es gab zahlreiche Momente, in denen mir die Buben Fragen stellten. Manchmal kamen gleichzeitig mehrere Fragen, manchmal kamen sie im Staccato nacheinander. Die einen Male war ich interessiert, die anderen Male nicht. Einmal konnte ich sie beantworten (oder meinte es zumindest), einmal nicht. Bei einer Gelegenheit war ich wach, bei der anderen müde oder sogar über-müdet. Im Rückblick gestehe ich: Sie haben mir jeweils mehr Fragen gestellt, als ich es des Anstands halber selber getan hätte. Mein Lernpunkt: Gehe eine Frage weiter, als du es eigentlich tun würdest.
Es gibt Anlässe, die man einfach nicht verpassen darf. Kinder haben ein unglaubliches Gedächtnis. Ich möchte fast sagen, sie haben den Jahreskalender verinnerlicht. Manchmal höre ich sie darüber sprechen, was sie "früher" erlebt hatten. "Als ich noch klein war…", leiten sie diese Geschichten ein. Ich bin erstaunt, was wie sich alles merken und mit welcher Detailgenauigkeit sie sich erinnern. Mein Lernpunkt: Es gibt Anlässe, die ich einfach nicht verpassen darf.
Vom Wert gemeinsamer Mahlzeiten. Es ist nicht einfach, die Zeiten gemeinsamer Familienmahlzeiten aufrecht zu erhalten. Je älter die Kinder werden, desto mehr Anlässe und Verpflichtungen stehen an. Gerade dann ist es unverzichtbar, diese Zeiten bewusst zu pflegen und sie auf keinen Fall abzukürzen. Wenn jeder kommt, wann es im passt, und wieder aufbricht, wenn er genügend gefuttert hat, dann finden die Begegnungen – dazu gehört Erfreuliches und Belastendes, Lachen und Weinen, Ermutigungen und Konflikte – nicht mehr statt. Mein Lernpunkt: Als Vater dafür sorgen, dass diese Gelegenheiten beibehalten werden.
Es darf auch mal etwas liegen bleiben. Von meiner Prägung her bin ich Ordnungs-Perfektionist. Besonders wenn ich müde bin, habe ich es am liebsten geordnet. Alle meine fünf Jungs haben es – oh Wunder – eigentlich auch gerne ordentlich und sauber. Es gibt jedoch Phasen, in denen sie sich ausbreiten und von einem Projekt in Beschlag genommen sind. Mein Lernpunkt: Es darf dann auch einmal über Wochen etwas liegen bleiben.
Wir trauen den Kindern (immer noch) zu wenig zu. Man mag einwenden: Überfordert dies oder das die Kinder nicht? Aus meiner Erfahrung der letzten zwölf Jahre kann ich nur sagen: Wir muten ihnen in einer Beziehung zu wenig zu: Sie können substanzielle Beiträge im Haushalt leisten. Sie können hervorragend an andere denken. Sie zeigen erstaunliche Energie und Durchhaltevermögen, wenn sie ein klares Ziel vor Augen haben. Mein Lernpunkt: Ich traue ihnen etwas zu und überlasse zunehmend Raum und Verantwortung.