"Gönne dir mal etwas." Wie oft höre ich diesen Appell. Er ergeht an geplagte Berufsleute, müde Mütter, geschaffte Kinder, entfremdete Ehepaare und besonders auch an wohlhabende Rentner. Oft wird der Aufruf fromm eingepackt, etwa in der Form: "Gott will, dass du glücklich bist. Entspanne dich und nimm etwas von dem, was er dir darreicht. Gott ist kein Spassverderber und Freudenkiller." Ich mag den Satz, ich gebe dies offen zu, nicht mehr hören. Weshalb?
Er verstärkt die Heilsbotschaft der Konsumgesellschaft. Diese hämmert uns konstant ein, dass wir uns sofort belohnen müssen. Dies führt zur Betäubung der Wahrnehmung eines Mangels (der wirklich vorhanden ist). Dabei würden wir viel besser der Frage nachgehen, warum wir unzufrieden sind! Wir sollen den Mangel nicht wegreden, sondern in Gottes Licht bringen und dort näher betrachten.
Er stabilisiert die Grundunzufriedenheit. Ich bin erschrocken, wie oft in Verkündigung und Seelsorge der Aufruf zur Selbstbelohnung erschallt. Eheabende, Wellnesswochenende, elektronische Gadgets, Einichtungsgegenstände oder ein neuer Wagen sind in sich nichts Falsches. Doch durch die Sofort-Betäubung werden wir möglicherweise davon abgehalten, unseren fehlgeleiteten Motiven auf die Spur zu kommen.
Er bekämpft ein Problem einer Scheinlösung. Wir kennen das gut vom Mechanismus der Sucht: Wer nach einem Stoff verlangt, muss ihn sich wieder zuführen. Das können pornografische Inhalte oder andere Stimulanzen fürs Gehirn (z. B. Ballergames) ebenso wie Esswaren, Alkohol oder Medikamente sein. Ist das nun nicht etwas überzeichnet? Natürlich zeitigt die Alkoholabhängigkeit viel schlimmere Folgen als ein Belohnungsmechanismus mit elektronischen Gadgets. Doch das Prinzip ist dasselbe.
Er gaukelt eine Lösung "etwas mehr/weniger desselben" vor. Die verhaltenstherapeutische Verschreibung einer Erhöhung bzw. Reduktion der Dosis lässt den Betreffenden bei sich selbst bleiben. Er hat es im Griff und bestimmt über die Dosierung. Er wird sich auf diese Weise kaum seiner Abhängigkeit von Gott bewusst.
Mein Ziel für das neue Jahr ist, mehr in die "Freiheit der Selbstvergessenheit" hineinzukommen. Die Alternative zum Spass der Konsumgesellschaft ist nicht die Askese. Dies ist nur eine andere Form der Selbstbestimmung. Ich möchte viel lieber die falsche Freude gegen die wahre Freude eintauschen. Wie oft spricht Gott davon, dass sich sein Volk vor ihm freuen soll, wenn es ihm Opfer bringt und Feste feiert. Darum finde ich die Formulierung des Kürzeren Westminster Katechismus, Frage 1, so genial: Wir ehren Gott, indem wir uns an ihm freuen. Wie könnte das konkret aussehen? Im ersten Schritt gestehe ich meine Not ein. Mir mangelt es an der wahren Freude. Ich bin ans eigene Ich verfallen. Das ist Götzendienst. Ich bekenne meine Sünde und werde mir bewusst, woher die Lösung kommt, nämlich sus dem neuen Leben in Christus. Er gibt die Kraft für eine Neuausrichtung. Meiner Bitte folgt mutiges Handeln. Mit seiner Hilfe halte ich Grundunzufriedenheit aus und fange an, in eine andere Richtung zu gehen. Ich vertraue darauf, dass Jesus genügen wird. Wer ihn als wahren Schatz besitzt, muss sich nicht mehr ständig "etwas gönnen".