Vor einiger Zeit hielt ich vor einer grösseren Gruppe einen Vortrag. Eine Teilnehmerin gab mir im anschliessenden Gespräch eine wichtige Lektion mit. Als geübte Karate-Kampfsportlerin stellte sie fest: "Du verbrennst zu viel Energie vor dem Publikum. Du deckst sie mit Informationen und Antworten ein, obwohl das schon längst nicht mehr nötig wäre. Du musst lernen, besser mit deiner Energie zu haushalten." Seit jenem Moment achte ich sehr auf meinen Energiehaushalt: Wann muss ich voll präsent sein? Wann wird von mir 100%ige Aufmerksamkeit verlangt und wann nicht? In welchen Momenten kann ich mich – auch vor Publikum – zurücknehmen? Wann kann ich die Verantwortung an das Gegenüber zurückgeben?
Dies gilt für alle Bereiche des Lebens. Gott hat uns nicht geschaffen, um ständig in Alarmstellung leben zu müssen. Wer das tut, verbrennt sich unnötig. Er setzt seinen Körper grossem Stress aus. Der motivatorische bzw. geistliche Hintergrund eines solchen Strebens ist genau unter die Lupe zu nehmen. Unser Herz – als biblischer Begriff für die gesamte Bandbreite der Motivation mit Verstand, Wille und Gefühlen – ist unergründlich erfinderisch darin, für die eigene Ehre zu leben. Die einen stehen unter Druck, weil sie für die Komplimente anderer leben (Menschenfurcht). Andere müssen einem selbst aufgestellten Standard genügen (Perfektionismus). Wieder bei anderen ist es der auf andere ausgeübte Macht, der sie antreibt (Stolz).
2016 wird es über Strecken meine volle Kraft brauchen: Wenn meine Frau eine Not äussert und ich als ihr Ehemann gefordert bin, über einer Lösung zu ringen (und sie von Jesus zu erbitten); in Schlüsselsituationen mit meinen Söhnen, durch welche sie reifen und sich einen Schritt in die Richtung der Selbständigkeit bewegen; im Unternehmen, wenn in anspruchsvollen Projekten und Beratungssituationen feinfühlige Führung verlangt ist; in der Gemeinde, wenn ich einen Bibeltext auslege oder in das Werk eines Denkers einführe.
Ebenso wichtig wird es jedoch sein, mich in der "aktiven Passivität" zu üben und zu erhalten. Geist und Körper müssen zur Ruhe kommen. Gott hat Schaffens- und Ruhezeiten verordnet. Er hat Tag und Nacht geschaffen, ebenso Werk- und Sonntag, Werk- und Festtag, Bestellung des Feldes und Brache, Arbeits- und Jubeljahr. Es gilt zu bedenken, dass ich mit ganzer Kraft wirke und dass gleichzeitig alles von seinem Gelingen abhängt. "Eine nachlässige Hand macht arm, aber eine fleißige Hand macht reich. Wer im Sommer sammelt, ist ein kluger Sohn, wer aber in der Ernte schläft, ist ein Sohn, der Schande macht. … Der Segen des Herrn macht reich, und [eigene] Mühe fügt ihm nichts hinzu." (Sprüche 10,4+5; 10,22)