Buchbesprechung: Dienstanweisung an einen Unterteufel

C. S. Lewis. Dienstanweisung an einen Unterteufel. Herder: Freiburg, 2014. 240 Seiten. 12 Euro.

Das Buch wird mit der bekannten Aussage eröffnet:

Es gibt zwei Irrtümer über die Teufel, in die das Menschengeschlecht leicht verfällt. Sie widersprechen einander und haben doch dieselbe Auswirkung. Der eine ist, ihre Existenz überhaupt zu leugnen. Der andere besteht darin, an sie zu glauben und sich in übermässiger und ungesunder Weise mit ihnen zu beschäftigen. Die Teufel selbst freuen sich über beide Irrtümer gleichermassen. Sie begrüssen den Materialisten wie den Anhänger der schwarzen Magie mit demselben Vergnügen. (7)

Etwas später beschreibt er umgekehrt das Dilemma des Feindes:

Wir stehen in Wirklichkeit vor einem grausamen Dilemma. Glauben die Menschen nämlich nicht an unsere Existenz, so verlieren wir alle jene angenehmen Resultate direkter Schreckensherrschaft und gewinnen keine Adepten der Schwarzen Magie. Glauben die Menschen jedoch an uns, so können wir sie nicht zu Materialisten und Zweiflern machen. (33)

Das Büchlein gehört zu den beliebtesten von Lewis. Ich weiss allerdings nicht, wie es ihm selbst beim Schreiben gegangen war. Ich stelle mir das als sehr unangenehme Aufgabe vor, sich die Strategien des Gegners zu widmen. Lewis dürfte von Anfechtungen nicht frei geblieben sein. Als ich beispielsweise die Schilderung von der Mutter des Patienten las, die ihm das Leben schwer machte, musste ich unwillkürlich an Lewis‘ eigene schwierige Lebensumstände denken, die es Lewis kaum ermöglichten, mehr als ein, zwei Stunden an einer Sache dranzubleiben. (Die Mutter eines Freundes wohnte über Jahrzehnte in seinem Haushalt.)

Bei manchen Büchern lohnt es sich, Argumente analytisch aneinander zu reihen. So habe ich hier (nicht abschliessend) einige Strategien zusammengetragen.

Subtiler Einfluss der Medien Für sie bestand noch ein Zusammenhang zwischen Denken und Handeln, und sie änderten ihr Leben, wenn ihre Überzeugung das geboten. Aber durch die Presse, die Zeitungen und andere ähnliche Waffen war es uns möglich, das alles gründlich zu ändern. (9)
Ablenkung durch Beschäftigungen des Alltags Ich brachte ihn auf den Gedanken, dass es eigentlich Zeit wäre, an das Essen zu denken. Wahrscheinlich gab der Feind ihm daraufhin ein, was jetzt ihn ihm vorgehe, sei wichtiger als das Essen. (11)
Oberflächliche Kenntnis Gib ihm vielmehr die grossartige, allgemeine Auffassung, er wisse alles, und alles, was er im zufälligen Gespräch oder durch gelegentliches Lesen aufgeschnappt habe sei das ‚Ergebnis der neuesten Forschung‘. (12)
Alte Gewohnheiten beibehalten Alle geistigen und körperlichen Gewohnheiten des Patienten sprechen immer noch zu unsern Gunsten. … In jedem Lebensbereich bezeichnet diese Ernüchterung den Übergang vom traumhaften Wunschbild zum mühsamen Tun. (13+15)
Tägliche Nadelstiche im familiären Umgang Erarbeitet in Übereinstimmung miteinander in diesem Hause feste Gewohnheiten, die zu dauernden Verärgerungen Anlass geben; kleine tägliche Nadelstiche! (17)
Vom Gebet abhalten Die beste Taktik wird nun sein, Deinen Patienten, wenn möglich, von jedem ernsthaften Vorsatz, zu beten, abzuhalten. (21)
Aufs eigene Ich und die Gefühlslage lenken Der einfachste Weg ist der, ihr Augenmerk von Ihm weg auf ihr eigenes Ich zu richten. Halte sie dazu an, nur auf ihren Seelenzustand zu achten und in sich durch eigene Anstrengung gewisse Gefühle zu erregen. (22)
Eingelullt werden durch ein Ungutes stabilisierendes Gesundheitssystem Wieviel vorteilhafter wäre es für uns, wenn alle Menschen in teuren Kliniken sterben würden, eingelullt von den Lügen von Ärzten, Schwestern und Freunden, die wir dazu abgerichtet haben, den Sterbenden Leben zu versprechen… (27)
Angst Nichts vermag das Herz eines Menschen gegen alle Bemühungen des Feindes so wirksam zu verrammeln wie Ungewissheit und Angst. Er verlangt die Hingabe des Menschen an seine gegenwärtige Aufgabe. Unser Geschäft ist es, ihr Sinnen und Denken auf das zu richten, was mit ihnen geschehen könnte. (29)
Nächstenliebe in eine nicht beeinflussbare Ebene verlagern Die Hauptsache ist, die Bosheit auf den allernächsten Nachbarn zu lenken, dem er tagtäglich begegnet, die Güter aber hinauszuverlegen an den fernsten Horizont, zu Menschen, die er gar nicht kennt. (31)
Übertriebenes fördern Alle Übertriebene, mit Ausnahme einer völligen Hingabe an den Feind, ist zu unterstützen. … Jede kleine Clique, zusammengehalten durch ein gemeinsames Interesse, das von andern verworfen oder ignoriert wird, hat die Tendenz, nach innen eine Treibhaushitze gegenseitiger Bewunderung, nach aussen aber einen grossen Hochmut und Hass zu entwickeln, deren sie sich nicht einmal schämt… (34)
Anlässe vor Nächstenliebe Wenn ihm einmal Versammlungen, Werbeschriften, Politik, Bewegungen, Anlässe und Kreuzzüge mehr bedeuten als Gebete, Sakramente und Nächstenliebe, so gehört er uns, und je ‚religiöser‘ … er ist, um so gewisser gehört er uns. (34)
Eine gemässigte Religion Eine gemässigte Religion ist für uns so gut wie gar keine Religion – nur noch viel ergötzlicher. (43)
Überlegenheitsgefühl gegenüber durchlaufenen Phasen … dass er sich jeder durchlaufenen Phase gegenüber erhaben und gönnerhaft fühlt, nicht weil er sich wirklich mit ihr auseinandergesetzt hätte, sondern nur weil sie der Vergangenheit angehört. (44)
Vergnügen am Widerspruch des Doppellebens Man kann ihn dahin bringen, am Widerspruch seines Doppellebens ein gewisses Vergnügen zu finden. Das erreichst Du durch seine Eitelkeit. (47)
Spott Setzt sich die Gewohnheit des Spottens fest, so bildet sie um den Menschen den undurchdringlichsten Panzer gegen den Feind, den ich kenne. (52)
Gottesdienst als Form aufrechthalten und mit dem Inhalt verwechseln … ist es mir beinahe eine Erleichterung zu hören, dass er immer noch zur Kirche und zum Abendmahl geht. … Erhält man solch ein Gefühl am Leben, erlaubt ihm aber nicht, unwiderstehlich zu werden, sich zu wahrer Reue zu entfalten, so birgt es eine unschätzbare Tendenz in sich: es erhöht das Widerstreben des Patienten, an den Feind zu denken. (53-54)
Reue nicht in die Tat umsetzen Solange er seine Reue nicht in die Tat umsetzt, tut es nichts zur Sache, wieviel er über sie nachsinnt. (60)
Stolz auf die eigene Demut Schmuggle in seine Gedanken die angenehme Erwägung ein: ‚Wahrhaftig! Ich bin demütig geworden.‘, und fast unverzüglich wird sich der Stolz zeigen, der Stolz über die eigene Demut. (61)
Anstrengung das Unmögliche zu erreichen Wir haben den Vorteil, dass ihre Gedanken sich durch die Anstrengung, das Unmögliche zu erreichen, endlos um sich selber drehen. (62)
Gemeinde-Gourmet werden Sicherlich weisst Du, dass für einen Menschen, der nicht vom Kirchgang kuriert werden kann, das nächste und beste ist, ihn in der ganzen Nachbarschaft umherzuschicken, um nach der Kirche zu suchen, die ihm ‚zusagt‘, und das so lange, bis er zum eigentlichen Feinschmecker oder Kenner in Sachen Kirche ist. (69)
Parteiung innerhalb der Gemeinde Wenn Dein Patient schon nicht von der Kirche abgehalten werden kann, muss er wenigstens dahin gebracht werden, sich leidenschaftlich einer bestimmten Richtung in der Kirche anzuschliessen. (71)
Irrglaube es gebe nur die Kapitulation … dem Glauben der unwissenden Menschen, es gebe keine Hoffnung uns auf andere Weise loszuwerden als durch Kapitulation. (86)
Meine Zeit gehört mir Lasse ihn jeden Teil seines Eigentum, den er dem Arbeitgeber abtreten muss, als eine drückende Besteuerung empfinden, jenen andern Teil aber, den er zur Erfüllung seiner religiösen Pflichten offenlässt, als eine grossmütige Schenkung. (91)
Das Grenzgebiet zwischen Theologie und Politik Wenn ich mir die neuen Freunde Deines Patienten ansehe, so finde ich, dass der geeignetste Angriffspunkt das Grenzgebiet zwischen Theologie und Politik sein dürfte. (98)
Christentum als Mittel zur Förderung der eigenen Interessen …. die Menschen das Christentum als Mittelpunkt gebrauchen, vorzüglich als Mittel zur Förderung ihrer eigenen Interessen; doch wenn dies fehlschlagen sollte, als Mittel zur Erreichung irgendeines Zweckes sonst – wenn es sein muss, zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit. (101)
Sich-selbst-beglückwünschen Was Du brauchst, ist ein verstohlenes Sich-selbst-Beglückwünschen, das sich in alle seine Gedanken einnistet. (106)
Christentum und… Wenn die Menschen schon Christen werden, dann müssen wir sie in der Geistesverfassung halten, die ich ‚Christentum – und‘ nenne. Du weisst schon … Christentum und Neue Psychologie… (107)
Negative Selbstlosigkeit Dank dieser Arbeit ist es Dir ohne weiteres möglich, Menschen zu lehren, Vorteile aufzugeben, nicht um andere dadurch glücklich zu machen, sondern um durch ihren Verzicht selbstlos zu erscheinen. (112)

 

Natürlich hielt ich auch Ausschau nach erfolgreichen Gegenstrategien.

Durch den Krieg hervorgerufenes Leid Wenn wir nicht aufpassen, dann werden wir erleben, wie Tausende in dieser Prüfung sich dem Feinde zuwenden. (27)
Wenn Tugenden zu Gewohnheiten werden Nur so weit, als diese Tugenden den Willen erreichen und sich dort zu festen Gewohnheiten verkörpern, werden sie für uns gefährlich. (32)
Wahre Freude Freude ist Seine Erfindung, und nicht die unsrige. Er hat sie geschaffen; trotz unserer ganzen so weit entwickelten Forschung ist es uns bisher nicht gelungen, eine einzige wahre Freude hervorzubringen. (42)
Scherz und Humor An sich aber hat der Scherz völlig unerwünschte Tendenzen; er fördert Güte, Mut, Zufriedenheit und viele andere Übel. (50)
Bewusste Reue und eine Erneuerung… Dessen, was die andere Seite Gnade nennt … ist eine Schlappe ohnegleichen. (57)
Das Selbst verlieren Wenn Er zu ihnen davon spricht, dass sie ihr ‚Selbst‘ verlieren sollen, so meint Er damit nur die Preisgabe der Anmassung ihres Eigenwillens. Haben sie dem Folge geleistet, so gibt Er ihnen tatsächlich ihre volle Persönlichkeit zurück… (59)
Dauer-Abhängigkeit … nur noch die Hoffnung auf die tägliche und stündliche Durchhilfe in den täglichen und stündlichen Versuchungen. (61)
Nicht über vergebene Sünden nachsinnen Sogar über seine Sünden soll er nach dem Willen des Feindes nicht allzuviel nachsinnen. Sind sie einmal bereut, dann freut es den Feind um so mehr, je rasche er davon loskommt. (64)
Dankbar zurück-, in Liebe auf die Gegenwart blicken Die Dankbarkeit schaut in die Vergangenheit und die Liebe auf die Gegenwart; Furcht, Habsucht, Lust und Streberei blicken auf die Zukunft. (66)
Monogamie oder Enthaltsamkeit Die Forderung, die der Feind an die Menschen stellt, nimmt die Form eines Dilemmas an: Entweder vollständige Enthaltsamkeit oder kompromisslose Monogamie. (77)
Musik und Stille… wie hasse ich beides! (96)
Ablenkung als Schwierigkeit erkennen und beten Sobald er diese Ablenkung als seine gegenwärtige Schwierigkeit ins Auge fasst, sie vor den Feind hinlegt und sie zum Hauptanliegen seines Betens und seiner Bemühungen macht, hast Du mehr Unheil angestiftet als Gutes getan. (117)

 

Fazit

Im Rückblick wird mir klar, welcher wichtige Teil die Gedanken eines Menschen sind. Vieles entscheidet sich auf diesem nach aussen unsichtbaren Terrain.

Nichts spielt eine Rolle ausser der Tendenz einer gegebenen Geistesverfassung unter gegebenen Umständen, eine bestimmten Patienten in einem bestimmten Moment näher an den Feind oder näher an uns heranzubringen. (84)

Das Einlullen ist wohl die wirksamste Taktik des Feindes:

Der sicherste Weg zur Hölle ist der allmähliche – der sanfte Hang, angenehm für die Füsse, ohne plötzliche Kurven, ohne Meilensteine, ohne Wegweiser. (56)

Was für eine Ermutigung ist der Blick auf unseren Retter. Diese Perspektive ist wohl das Entscheidende:

Wir sagen sie aus. Er gibt sich her. Wir sind leer und wollen uns füllen. Er besitzt die Fülle und fliesst über! (38)

Ein Verwirrspiel hat mir besonders zu denken gegeben.

Das Spiel besteht darin, alle mit Feuerlöschern umherjagen zu lassen, wenn in Wirklichkeit eine Überschwemmung hereinbricht, oder alle auf jene Seite des Schiffes drängen zu heissen, die schon Dollbord unter Wasser ist. So machen wir es ‚modern‘, die Gefahren des Schwärmertums in dem Augenblick herauszustreichen, wenn alle in Wirklichkeit weltlich und gleichgültig werden. Ein Jahrhundert später, wenn wir aus allen von Gefühlen berauschte Romantiker gemacht haben, richtet sich der moderne Entrüstungsschrei gegen die Gefahr des bloss ‚Verstandesmässigen‘. Zeiten der Grausamkeit warnen wir vor Sentimentalität, Zeiten der Weichlichkeit und des Müssigganges vor bürgerlicher Ehrbarkeit, Perioden der Geilheit vor Puritanismus. (110)