Ein breites Spektrum wird angeboten
Seit Jahren bin ich begeisterter (Vor-)Leser von Kinderbibeln. Das Spektrum der Bibeln ist breit. Da gibt es den Klassiker von Anne DeVries Die Kinderbibel: die Worte der Heiligen Schrift für die Kinder erzählt, mit dem ich selber aufgewachsen bin. In den letzten Jahren sind viele Produkte dazugekommen, die auf ganzseitige Bilder Wert legen. Der Text wird in die Bilder eingebettet; er wird von den Bildern „aufgesogen“. Bei diesen Bibeln neige ich dazu die Geschichten selbst dazu zu erzählen. Ein Beispiel ist Die große Bibel für Kinder von Mareijke ten Cate. Dann gibt es die kleinformatigen Bibeln, die eher in Richtung Cartoon gehen (wie Von Schafen, Perlen und Häusern von Nick Butterworth & Mick Inkpen; eine Suche auf Amazon mit Stichwort „Kinderbibel“ bringt Dutzende weitere zu Tage). Die Kinder lieben sie. Solange die Nähe zum biblischen Text bzw. zur zentralen Aussage einigermassen intakt bleibt, bringe ich solche Bücher ergänzend ein. Sie können jedoch keinen zentralen Platz einnehmen. Die Hauptproblematik: Einzelne Details bleiben den Kindern besser haften als das grosse Bild.
Den grossen Zusammenhang verstehen
Im Gegensatz dazu steht Gottes einzigartige Geschichte von David Helm. Abgesehen vom schlechten Einband vermittelt sie mit eindrücklichen Bildern eine heilsgeschichtlich und Christus-orientierte Gesamtgeschichte des Alten und Neuen Testamentes. Das grosse Bibel-Bilderbuch von Kees de Kort bietet 27 zeitlose Bildergeschichten an, versehen mit kurzen, sehr einfachen Texten. Meines Erachtens sind die Botschaften schon zu stark geglättet. Die Gott hat dich lieb Bibel von Sally Lloyd-Jones bietet kombiniert den evangeliumszentrierten Blick mit Anregungen zum Überdenken des Lebens (ohne zu stark in den Moralismus abzugleiten). Die grosse Ravensburger Kinderbibel habe ich schnell wieder weggelegt. Zu stark stilisierte Bilder werden mit verschwommenen Aussagen verknüpft. So geht es mir auch mit zahlreichen anderen neueren Bibeln.
Auswahl und Detailtreue der Geschichten beachten
Seit zwei, drei Monaten liest meine Frau den Kindern aus der Elberfelder Kinderbibel vor. Hier gibt es ein, zwei Bilder pro Doppelseite, die mit einem dichten, nahe am Bibeltext orientierten Handlungsverlauf kombiniert werden. Meine beiden jüngsten Kinder, fünf und sieben Jahre alt, meinen: „Das ist die beste.“ Wir lesen nur in der Hochsprache vor. Mundart hat einen verzerrenden Effekt. Wir haben sogar die Erfahrung gemacht, dass auch der englische Text (z. B. der ESV Children’s Bible) Kindern vorgelesen werden kann. Der Erwachsene oder die älteren Geschwister übersetzen das Gelesene und lernen dabei gleich selbst mit. Ab und zu greifen die älteren zur Reihe Die Bibel im Bild. Diese Heftfolge kombiniert die Herausarbeitung von Details in den Bildern mit einer lockeren Erzählung. Auch unbekannte Geschichten werden behandelt.
Bilder anstelle von Begriffen
Gerade so wichtig wie die Beschaffung von gutem Material ist jedoch die übergeordnete Beobachtung, wie die Bilder aufgebaut und welche Botschaften vermittelt werden. Ich habe hierzu eine These: Wir werden durch die Bildmedien so mit Bildfolgen und Informationen zugeschüttet, dass wir uns gar nicht mehr darauf achten, was uns in den Grundzügen vermittelt wird! Ein Medienwissenschaftler hat es so ausgedrückt: Das Fernsehen produziert auf der einen Seite Bilder, löscht aber gleichzeitig Begriffe.
Jeder baut seine eigene kleine Geschichte
Dazu kommt die Entwicklung, dass seit Jahrzehnten unsere Kultur Bereich um Bereich von der christlichen Meta-Erzählung losgekoppelt wird. Das heisst jedoch nicht, dass es anstelle der grossen Geschichte keine Geschichte mehr gibt. Vielmehr bastelt sich jeder seine eigene kleine Geschichte, welche gerade zur Stimmung, zur Situation und zur Lebensphase passt. Innerhalb dieser vielen Geschichten bauen sich notwendigerweise Widersprüche auf. Der Zeitgenosse antwortet darauf: „Nimm es gelassen! Du weisst sowieso nicht, ob und inwiefern es eine grosse Geschichte überhaupt gibt. Konzentriere dich auf deinen unmittelbaren Einflussbereich. Was zählt, ist der Spass und die Erfüllung im Moment. Du lebst nur einmal. Das Leben ist zu kurz für „Philosophisches“ (gemeint als Nachdenken über Grundfragen des Lebens).“
Der Grund für die innere Unruhe
Trotzdem gilt zu bedenken: Die christliche Prägung unserer Länder wirkt untergründig nach, auch wenn praktisch alle Lebensbereiche der Entscheidung des einzelnen – auch der Kinder – überlassen bleiben. Dies verstärkt das innere Chaos und die Spannung. Jeder Mensch und insbesondere jedes Kind orientiert sich an Vorbildern. Werden sie nicht bei den Eltern und gerade auch in biblischen Figuren fündig, müssen sie sich mit Gleichaltrigen oder etwas älteren Kindern vergleichen und daraus ihren optimalen Lebensstil ableiten. Das bewirkt eine innere Unruhe und einen andauernden Suchprozess. Die Kollegen orientieren sich ja selbst wie ein Schifflein auf hoher See immer wieder neu. Deutlich wird das zum Beispiel daran, welche Kleider, Frisur und welche elektronischen Geräte beschafft bzw. getragen werden müssen.
Leitsätze der säkularen Welt
Wichtige Leitsätze wie „Es gibt keine übergeordnete moralische Wahrheit“, „es muss sich im Moment gut anfühlen“, „der Mensch ist im Prinzip gut, er wird durch böse Systeme wie Banken, Schulen oder Regierungen gestört“ wirken sich auf die Wahrnehmung bzw. auf den moralischen Raster der Menschen in unseren Ländern aus. Experten versuchen mittels Umfragen zu erheben, was der Durchschnittsbürger denkt und wie er empfindet. Dieses Denken ist stark von der wirtschaftlichen Dimension (Beeinflussung der Verbraucher) getrieben.
Was bedeutet das für die Konzipierung, Entwicklung und Visualisierung der Kinderbibeln? Es heisst: Dieser Herstellungsvorgang ist stark von der säkularen Weltanschauung gesteuert. Eltern, Grosseltern, Erzieher, Sonntagschullehrer sollten sich stark darauf achten, a) welche Geschichten ausgewählt, b) mit welchen Details sie dargestellt, c) mit welchen Worten gestützt und d) mit welchen Handlungsempfehlungen sie versehen werden.
Biblische Begriffe und Konzepte vermieden
Leider folgen viele Medien für Kinder – neben den Kinderbibeln sind insbesondere die Hörspiele und die Lieder zu nennen – dem Trend der Säkularisierung. Biblische Begriffe werden vermieden. Das heisst, sie werden gar nicht mehr genannt oder mit anderen, allgemeinen ersetzt. Statt „Jesus“ steht dann einfach „Gott“. Nun wissen wir, dass dieser Begriff sehr beliebig geworden ist. Unter „Gott“ ist fast jede menschliche Vorstellung zu fassen. „Sünde“ wird ebenfalls nicht mehr genannt, sondern allenfalls „Fehler“ (also etwas, das zwar auf der horizontalen Ebene Nachteile bringt, aber immer korrigierbar bleibt). Statt „Gemeinschaft“ wird die „Freundschaft“ – der Kreis der bevorzugten Ansprechpartner anstelle der korrigierenden und schützenden Familie und Kirchgemeinde – stark betont. Die Liebe als unbedingte Zuwendung egal von der Vorgeschichte wird sehr betont (er will dich; er nimmt dich an, wie du bist) zulasten der Heiligkeit (Gerechtigkeit, Reinheit). Die Erfahrung eines zukünftigen Gerichts verschwindet ebenfalls. Stattdessen wird über die unmittelbaren Konsequenzen gelehrt (warum jemand nicht lügen soll). Ein Gott, der dich will, dir gute Freunde schenkt, der immer online ist und bei dem auch Ausrutscher problemlos durchgehen: Das ist grob gesagt das „fromme“, von der Säkularisierung eingefärbte Bild.
Wir sind Übersetzer!
Eltern, Verwandte, Kirchgemeindemitarbeiter sind Übersetzer der biblischen Botschaft. Wir sind aufgerufen, unser eigenes Sensorium für die grossen Botschaften unserer Kultur zu erkennen und den Unterschied der biblischen Botschaft deutlich herauszustreichen. Von daher machen wir es uns zunutze und arbeiten mit den Materialien gerade diese Unterschiede heraus. Ich mache immer wieder die Erfahrung: Gerade Kinder haben ein ausgezeichnetes Sensorium für diese feinen, aber entscheidenden Unterschiede.