Kolumne: Ein richtiger Mann kann reden

Es geschieht im Stundentakt: Ein Bruder äussert ein kränkendes Wort. So geschehen beim unverfänglichen Spiel, einander den Kopfumfang zu messen. Der kleinere fühlte sich innerlich zurückgestellt bei der Feststellung, dass sein Kopf zwei Zentimeter weniger mass. Er ist doch auch ein Grosser! (Wir Erwachsenen sind nicht viel anders. Wir sind über Kleinigkeiten beleidigt und fühlen uns zurückgestellt. Man kann das leichten Sinnes entschuldigen: „Das kann jedem passieren.“ Die Reaktion wird bagatellisiert und „statistisch eingemittet“. Aus biblischer Weltsicht ist jedoch nicht entscheidend, was uns widerfährt, sondern wie wir darauf reagieren. Es offenbart unser Herz – unsere Motive.) Der Ärger richtet sich zuerst gegen innen, dann gegen drückt er nach aussen. Die Leidtragenden dieser Stimmung sind die Nächsten, in der Regel die Familienmitglieder. Das Kind fühlt sich im Recht. Ein Zwick hier, ein Schubsen dort, ein Tritt unter dem Tisch.

Im nächsten stillen Moment nehme ich ihn zur Seite. „Ich sehe es deinem Gesicht an, dass etwas nicht in Ordnung ist.“ Er schweigt. Ich warte. „Was sagt die Stimme in dir drin?“ Der Blick weicht aus. Ich halte das Schweigen aus und warte auf die Antwort. Manchmal beginne ich für mich zu beten. Plötzlich schiesst mir durch den Kopf: „Ein richtiger Mann kann reden.“ Das ist es ja, was viele erwachsene Männer nie gelernt haben. Sie mussten ihre Reaktionen nie überdenken und artikulieren. Sie wurden stets gelassen, geschont oder entschuldigt. Das ist verhinderte Charakterentwicklung. Leise meint er: „Es ist wegen dem Kopf-Messen.“ Aha, jetzt beginne ich zu verstehen. „Was sagtest du dir?“ „Ich bin auch gross.“ Wenn ich ihn gelassen oder sogar belächelt hätte (beleidigte Leberwurst), wäre diese Situation vorbei gegangen – wie viele andere auch.

Jetzt erst konnte ich in Dialog mit dem Kind treten. Warum ärgert dich dieser Vergleich? Wie möchtest du gerne sein? Worin betrügst du dich selbst? Wir können – und damit spreche ich uns Erwachsene ebenso an – unsere Reaktionen und Gefühle ans Licht bringen. Wir sind nicht mehr „Opfer“ unserer Nächsten. Wir lernen Verantwortung zu übernehmen für unsere Reaktion. Wir können unsere Ohnmacht, unser Zurückstehen Ihm im Gebet bringen und Ihn bitten, dass er uns verändert. Als Eltern sind wir nicht nur Ernährer und Lernbegleiter – wir sind in erster Linie Hirten der Herzen. Wie wichtig ist es gerade für Jungen, dass sie über Unangenehmes sprechen lernen!