Kolumne: Die Materialfalle

Wir stecken mitten in den Vorbereitungen für den Umzug. Seit Jahren verfolgt meine Frau das Prinzip: Eine Sache rein, eine Sache raus. Trotzdem stellen wir fest: Wir sind mit Material überhäuft. Es gibt so viele Einzelteile (z. B. Kleider, Bücher, Papier), dass der Überblick droht verloren zu gehen. Das kategorisierte Ordnen nach Zeitabschnitt, Fach und Person hilft zwar zum Ordnen. Doch wie unser Zügelunternehmer festgestellt hat: "Der Mensch ist wie eine Ameise. Er sammelt und sammelt, ohne dass er sich dies bewusst ist." Würde man mit einer Kamera die Zu- und Abgänge zu einer Wohnung oder zu einem Haus beobachten und im Zeitraffer abspielen, würde man tatsächlich feststellen, dass die Bewohner immer wieder mit Säcken und Taschen beladen heimkommen.

Wenn ich an meine eigene Kindheit vor 35 Jahren zurückdenke, dann fällt mir auf, dass das Material im Vergleich günstiger geworden ist. Es seien Musikkonserven, Eletronikgeräte, Spielwaren oder Möbel: Alles gibt es vergleichsweise günstig zu haben. Das Material ist so beschaffen, dass man automatisch nach einiger Zeit wieder neue Dinge anschafft, weil Farbe und Form nicht mehr passen. Interessant ist zu beobachten, wie sich die Online-Gebraucht-Geschäfte abwickeln. Der Verkäufer hat in der Regel den Eindruck, dass er etwas fast Neuwertiges verkaufen will. Weil er emotional (mehr oder weniger) daran hängt, ist sein Blick getrübt. Nur ungern gibt er zu, dass der Gegenstand verblichen, abgenützt oder nicht mehr farbecht ist. Der Käufer vergleicht mit neuwertigen Angeboten – und will kaum mehr etwas bieten, es sei denn, es handle sich um "Fashion" (also etwas, das in Mode ist und deshalb einen immateriellen Zusatznutzen hat). Umgekehrt muss der Käufer oft einen hohen Aufwand betreiben, um etwas überhaupt noch wegzubringen. Der Überfluss an Material lässt uns achtlos werden. Wir können es uns ja kaufen, was wir wünschen, und wieder abstossen, wenn es uns nicht mehr gefällt.

Es ist mir aufgefallen, dass ich nach dem Weggeben von Material oft den Wunsch verspürte, neue Dinge zu beschaffen. Ich geriet geradezu in eine Kaufeuphorie. Ohne Zeit, Geld und den dazu nötigen Raum genügend zu berücksichtigen, stand ich im Begriff, neue Dinge anzuschaffen und damit den Kreislauf des Sammelns wieder anzustossen. Diese Gedanken führten uns als Familie dazu, uns von Dingen zu trennen und zuerst einige Zeit ohne Ersatzbeschaffung auszukommen. Wir ziehen also an den neuen Ort und stellen erst einmal fest, was wir wirklich brauchen. Für Dinge, die wir nicht mehr benötigen, beten wir, dass sie einen passenden Empfänger finden. Es war eine Freude zu sehen, wie erfreut Menschen waren, etwas mit einem kurzen Schreiben und einigen freundlichen Worten versehen, zu erhalten.

Ich bin überzeugt, dass wir in unseren Breitengraden dazu neigen, uns mit Material zu überhäufen. Wir laufen im Jahreszyklus Dingen nach, die wir nicht oder kaum brauchen. Das bindet Gedanken, Zeit, Energien und Geld. Wer von Gott zum neuen Leben befreit worden ist, darf freudig auch diesen Bereich in das Licht seines Evangeliums bringen. Er möchte uns lernen, uns von der drückenden Last des Erwerbens-Müssens und der damit verbundenen sozialen Gefälligkeit zu befreien.