Predigt: Das Leiden Christi und die Realität des Leids

Der Theologe Didier Erne hat in einer Predigt eindrücklich vor Augen geführt, wie eine sorgfältig ausgearbeitete Liturgie und Predigt ineinander übergehen. Liedgut aus dem Schatz der Kirche, Psalmenlesung, Lesung und Auslegung eines Abschnitts aus Gottes Wort wird dem zeitgenössischen Denken und Handeln gegenübergestellt. Es wird aufgezeigt, wo wahrer Trost im Blick auf die Realität des Leids geboten wird. Hier meine Notizen:

Eröffnungslied „Du, meine Seele, singe“

Wie kommt es, dass Paul Gerhardt, der in seiner Zeit und in seiner Familie bitterstes Leid erleben musste (er lebte zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges), so frohe Lieder schreiben kann?

Leitgedanke: Das Christentum ist die einzige Religion, die alle komplexen Lebenssituation fassen kann, ohne einen Teil der Realität zu verleugnen oder auszublenden!

Wechselgesang Psalm 111

„Groß sind die Werke des HERRN; wer sie erforscht, der hat Freude daran. Was er tut, das ist herrlich und prächtig, und seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich.“ (V. 2-3)

Der moderne Mensch kann Gottes herrlichen Werken gegenüber gleichgültig sein. Er ist untergründig von der evolutionären Weltanschauung geprägt, welche die gegenwärtige Welt als Ergebnis eines ziellosen Kampfes betrachtet.

Der Psalmist beschreibt hingegen, was wahre Wissenschaft ist: Der von Gott erlöste Mensch weiss, woher sein Wissensdurst stammt. Er erforscht eifrig die Welt seines Schöpfers, was ihn zur Anbetung führt.

Gewissenserforschung 1Petr 1,15-16 / 1Joh 1,1-8

Wir feiern 2017 500 Jahre Luther. Gott gebrauchte diesen Menschen, um die Erkenntnis wieder ins Zentrum zu stellen, dass das Grundproblem des Menschen ethischer und nicht metaphysischer Natur ist. Es geht nicht in erster Linie um eine Frage des Wissens, sondern des Wollens.

Den Standard Gottes hat Er uns durch die Zehn Gebote kundgetan. Wir halten uns vor Augen, dass es am Anfang nicht um ein Wohlverhalten gegenüber dem Nächsten, sondern gegenüber Gott geht. Wir stellen (moralistisch) oft ein bestimmtes Verhalten gegenüber dem Nächsten in den Vordergrund und drücken bei Gottes Geboten gerne ein Auge zu. Doch wer Gott und seine Gebote nicht liebt, liebt auch seinen Nächsten nicht.

Zudem reden wir oft von Problemen und selten von unserer Sünde. Es ist wie wenn wir den Karren vor das Pferd spannen würden: Gott soll uns helfen, unsere aktuellen Probleme zu lösen. Doch zuerst geht es um unser schuldbeladenes Sein.

Der moderne Mensch hat sich von seinen geistlichen Wurzeln getrennt und verortet auch die Fragen betreffend Gott diesseitig. Im Grunde sagt er mit Sinatra: „I did it my way.“ – „Ich bin halt so, und eigentlich bin ich noch stolz darauf.“

Brücke zur Predigt

Jede Gesellschaft muss eine Antwort auf Leid zur Verfügung stellen, weil Leid allgegenwärtig ist. Führen wir uns die Grundideen verschiedener Religionen vor Augen:

  1. Säkularismus: Leid ist SINNLOS. Deshalb fokussieren wir uns auf den nächsten Moment und auf das Vergnügen. Auf die Spitze trieb es die Generation der 68er mit den Drogen. Wenn die Wirkung der Spritze weg ist, ist auch das Vergnügen weg.
  2. Buddhismus: Leid entsteht durch falsche Begierde. Im Grunde genommen ist Leid eine Frage des Kopfes, also eine ILLUSION. Deshalb können wir es aus eigener Kraft überwinden.
  3. Islam: Alles Geschehen ist „inschallah“. Gott steht über dem Leiden und ist von ihm nicht berührt. Uns bleibt der FATALISMUS, denn wir wissen nicht, ob es sich zum Guten wenden kann.
  4. Katholizismus: Diese Interpretation des Christentums sieht Leid als VERDIENST an, durch den wir uns Gott nähern können.

Christi Leiden in Gethsemane, Matthäus 26,36-43

Jesus lässt die meisten seiner Jünger zurück, um sie zu schonen. Die drei Jünger, die schon einen Blick in die Höhe (auf dem Berg der Verklärung) tun durften, erhielten nun auch noch einen Eindruck in die Tiefe seines Leidens und die Momente der grössten Schwachheit.

Beobachtungen zum Leiden Christi

  • Jesus war nicht nur Gott in einem Scheinleib, sondern wahrer Mensch. Er spielte nichts vor!
  • Die griechischen Verben verraten eine überaus starke Form von Leid.
  • Er stand – auch in seiner Sündlosigkeit – in einer riesigen Spannung des Warum.
  • Ihn plagten zudem, wie es der Kirchenvater Hieronymus sagte, die Versuchung der Jünger und selbst das Schicksal von Judas.
  • Er zeigte auf, wie schwach die menschliche Natur angesichts des Leidens ist.
  • Er ging durch das Leid hindurch und überwand es.
  • Sein Leid hatte einen höheren Zweck: Die Ehre seines Vaters und die Rettung eines Eigentumsvolkes.

Seelsorgerliche Anwendungen

  • Schmerz hat einen Platz in unserem Leben.
  • Wir leiden mit anderen mit.
  • Wir wollen Dinge, die Gott anders will, ohne dass dies sündhaft sein muss.
  • Wahre Demut bedeutet, den eigenen Willen unter Gottes Willen zu beugen.
  • Ohne Kampf keine Überwindung.
  • Kein Überwinden des Kampfes ohne Gebet.

Antworten des Christentums auf das Leid.

  • Das Leid hat einen übergeordneten Sinn, es ist mehr als Selbstzweck. Es geschieht um unserer Bewährung willen, welche Hoffnung hervorbringt.
  • Leid ist nicht bloss Illusion, es ist Realität. Wir überwinden es nicht aus uns selbst, sondern nur durch Gottes Kraft.
  • Wir haben einen Gott, der mitleidet.
  • Leid ist kein Verdienst, sondern vollzieht sich in unserer Schwachheit.

Schlusslied „Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich“

Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein,
ist voller Freud und Singen, sieht lauter Sonnenschein.
Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ;
das, was mich singen machet, ist, was im Himmel ist.