Es gibt eine weitere Form der Gespräche, die ich so oft wie möglich pflege. Die unabdingbare Voraussetzung dazu ist: Eine innere Haltung, bei der ich mit voller Aufmerksamkeit beim Kind sein kann. Mein Bild dafür ist: Innerlich "in der Hängematte" liegen, völlig entspannt und gleichzeitig mit voller Präsenz. Zorn, Unmut und Abschweifen der Gedanken beeinträchtigen massiv.
Der Heranwachsende äussert unwirsch eine Bewertung. In der Regel beurteilt er Verhalten und Charakter anderer Menschen, Gruppen oder Institutionen.
Nach dem ersten Moment der Überraschung fange ich mich innerlich.
Ich signalisiere Interesse. "Ich habe eben gehört, was du gesagt hast. Das interessiert mich."
Das Gegenüber will darüber hinweggehen. Es ist für ihn erledigt.
Ich hake nach. "Wie hast du das gemeint?"
Die erste Antwort ist abwehrend. Es braucht Konzentration und Hartnäckigkeit, um den Moment nicht vorbeischwimmen zu lassen.
"An welchen Reaktionen machst du diese Bewertung fest?"
Es kommt eine zunehmend präzise Rückmeldung.
"Erzähle mir noch mehr davon. Was frustriert dich? Was stösst dich ab?"
Jetzt kommen Schlüsselmomente.
"Danke, dass du mir das erzählst. Ich stimme dir in folgenden Punkten zu."
Es ist wichtig, ein Feld für das gemeinsame Verständnis abzustecken.
"Das verstehe ich jetzt noch nicht."
Kein Schmeicheln! Es soll auch eine Differenzierung geben.
"Wie kommst du dazu, eine solche Bewertung vorzunehmen?"
Meistens erfolgt jetzt eine Relativierung.
"Was würde Gott zu einer solchen Bewertung sagen?"
Kein vorschnelles Eingeständnis akzeptieren.
"Nicht so schnell. Gott ist sehr wohl an der Wahrheit im Inneren interessiert. Er übergeht rein gar nichts."
Heranwachsende haben ein Sensorium für Wahrhaftigkeit. Keine Abschwächungen, bitte!
"Was lernen wir über uns selbst? Was würden wir anders machen?"
Die Selbstreflektion soll mit Lernpunkten einhergehen. Diese Lernpunkte halte ich schriftlich fest und komme darauf zurück.